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Ernst Halbmayer / Sylvia Karl (Hrsg.)

Die erinnerte Gewalt. Postkonfliktdynamiken in Lateinamerika

Bielefeld: transcript Verlag 2012 (GlobalStudies); 336 S.; kart., 32,80 €; ISBN 978-3-8376-1858-7
Erfahrungen von Gewalt rufen vielfältige soziale und politische Prozesse hervor, die von Konflikten und Diskursen über historische Wahrheit, Schuld und Versöhnung geprägt sein können. „Welche sozialen Dynamiken entwickeln sich nach schwerwiegenden politischen Verbrechen wie Folter, Mord oder Verschwindenlassen? Welche sozialen Gruppen werden nicht nur bekämpft und vernichtet, sondern entstehen durch und nach einem Konflikt und welche Forderungen entwickeln die am Konflikt beteiligten Akteure? […] Welche Mechanismen der Konfliktbearbeitung werden eingesetzt und was lösen sie aus?“ (7) Entlang dieser und weiterer Fragen werden die Prozesse der Aufarbeitung politischer Gewalt in Lateinamerika analysiert. Die Arbeit von Wahrheitskommissionen sowie Amnestien und Gerichtsverfahren werden allgemein unter dem Begriff der Transitional Justice zusammengefasst. Christian Wlaschütz macht mit seinem Beitrag darauf aufmerksam, dass der Begriff meist auf das politisch-juristische Geschehen verkürzt wird und den Betroffenen wenig nützt. Am Beispiel Kolumbiens, einem Land, „in dem nur wenige Menschen aus eigener Erfahrung ein friedliches Zusammenleben“ (141) kennen, zeigt er die wichtige Rolle lokaler Gruppen und zivilgesellschaftlicher Initiativen im Bemühen um Versöhnung und Frieden. Er plädiert dafür, Transitional Justice als einen umfassenden, von verschiedensten Akteuren getragenen Prozess zu begreifen. Dass die Aufarbeitung von politischer Gewalt mit dem Ausbruch erneuter Gewalt einhergehen kann, zeigt das Beispiel Mexiko. Sylvia Karl befasst sich mit Ermordungen und dem Verschwindenlassen von Personen im mexikanischen Aufarbeitungsprozess des sogenannten Schmutzigen Krieges. Die Gründe für die Fortführung der Gewalt sieht die Autorin darin, dass die „strukturellen Bedingungen des politischen Systems, die auch Ursache des vergangenen Konflikts waren, nicht verändert“ (173) wurden. Ein weiteres Thema ist die von Lateinamerika ausgehende transnationale Verflechtung von Aufarbeitungsprozessen. In zwei Beiträgen geht es um die Verbindungslinien zwischen den chilenischen und den spanischen Auseinandersetzungen über Diktaturerfahrungen sowie Menschenrechtsverletzungen und die Herausbildung einer transnationalen Erinnerungsbewegung. Der interdisziplinäre Band beruht auf Veranstaltungen im Rahmen des „5. Treffens der deutschsprachigen Südamerika- und Karibikforscher/innen“ (7) an der Universität Marburg im Oktober 2010.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.65 | 2.61 | 2.21 | 2.22 | 2.23 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Ernst Halbmayer / Sylvia Karl (Hrsg.): Die erinnerte Gewalt. Bielefeld: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34889-die-erinnerte-gewalt_41941, veröffentlicht am 25.10.2012. Buch-Nr.: 41941 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken