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Katrin Simon

Die Erben des Malcolm X. Afroamerikanische Muslime zwischen Widerstand und Anpassung

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (global local Islam); 359 S.; 34,99 €; ISBN 978-3-8376-2668-1
Seit jeher stellen einheimische Konvertiten die größte Einzelgruppe von Muslimen in den USA dar. „Das Besondere ist dabei, dass [sie] fast ausschließlich Afroamerikaner sind“ (7). Die Islamwissenschaftlerin Katrin Simon hat es sich zur Aufgabe gemacht, den heutigen Zustand dieses afroamerikanischen Islams auszuloten – nicht nur auf der Basis einer umfangreichen Auswertung wissenschaftlicher Literatur, sondern auch mit Erkenntnissen aus einem Forschungsaufenthalt in New Yorker Problembezirken. Die Besonderheiten und Schwierigkeiten, die sich bei ihrer Recherche aus ihrem eigenen Geschlecht und ihrer Hautfarbe ergeben haben, verweisen zugleich auf den Kontext, in dem sich dieser Islam bewegt: Bestimmend sind Kategorien von race (‚Rasse‘ in „einem bestimmten historischen und räumlichen Kontext“ [23], gebunden an einen Sprachraum), Ethnizität und Rassismus, dicht gefolgt aber auch von dem Aspekt der Frauendiskriminierung, die sich im Laufe der Analyse dem afroamerikanischen Islam als eingeschrieben erweist. Mit Blick auf den konkreten Alltag kommen ferner Themen wie die häufige Bildungsferne vor allem männlicher afroamerikanischer Jugendlicher sowie die überdurchschnittliche Belegung von US‑amerikanischen Gefängnissen mit Afroamerikanern hinzu, anhand derer die Autorin Konstruktionen von Männlichkeit herausstellt. All diese Aspekte deuten, wie Simon aufzeigt, in eine Richtung: Die Zuwendung zum Islam erfolgt unter dem Eindruck einer langen strukturellen Diskriminierung und angesichts eines „als rassistisch empfundenen Christentum[s]“ (328). Diese damit nicht nur religiös aufgeladene, sondern auch politisch konnotierte Hinwendung zum Islam geht somit einher mit einer gewollten Ausgrenzung aus der (weißen) Mehrheitsgesellschaft – eine zentrale Institution in dieser Hinsicht ist die Nation of Islam (daher die Anspielung auf Malcolm X im Titel), die Simon immer wieder in den Fokus rückt. Die Ausdeutung dieser Ausgrenzung zeigt sie an afroamerikanischen Konvertitinnen, die durch das Tragen eines Schleiers mit dem Bild ihrer sexuellen Verfügbarkeit, das noch aus der Zeit der Sklaverei stammt, bewusst brechen. Ein bemerkenswerter Aspekt in der Analyse ist zudem das Verhältnis der Konvertiten zu den muslimischen Zuwanderern, das Simon in seinen verschiedenen Facetten darstellt: Zum einem bemühen sich diese (oft arabischen) Einwanderer um den Anschluss an den (weißen) American Dream, zum anderen aber konfrontieren sie die einheimischen Muslime mit der Ansicht, nur sie wüssten um den wahren Islam. Insgesamt zeigt sich, dass der Versuch, sich über eine Religion selbst zu verorten, keineswegs gesellschaftliche Zuschreibungen von race und Geschlecht ungültig werden lässt.
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Rubrizierung: 2.64 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Katrin Simon: Die Erben des Malcolm X. Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38518-die-erben-des-malcolm-x_46803, veröffentlicht am 11.06.2015. Buch-Nr.: 46803 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken