
Die Dynamik der Konstruktion von Differenz und Feindseligkeit am Beispiel der Finanzkrise Griechenlands: Hört beim Geld die Freundschaft auf? Kritisch-diskursanalytische Untersuchungen der Berichterstattung ausgewählter deutscher und griechischer Medien
Die neuen Konfliktlinien, die durch die Finanz‑ und Wirtschaftskrise zwischen den EU‑Mitgliedstaaten entstanden sind, gründen auch und vor allem in der sprachlichen Vermittlung. Medien und Politik tragen daran gleichermaßen Schuld, wenn zum Beispiel die BILD‑Zeitung von „Pleite‑Griechen“, „Schuldenhallodris“ und „deutschen Steuerzahler‑Deppen“ (9) schreibt. Umso verdienstvoller ist es, dass mit diesem Band die Ergebnisse der Sektion „Globale Krisen der Finanzmärkte: Hört beim Geld die Freundschaft auf?“ der Jubiläumstagung der Abteilung für Deutsche Sprache der Universität Thessaloniki im Mai 2011 zugänglich gemacht werden. Vorgenommen wird eine sprachwissenschaftliche Analyse der Medienberichterstattung zur Krise in deutschen und griechischen Printmedien seit dem Frühjahr 2010. Der Band ist deshalb so wertvoll, weil er nicht nur für die sprachlichen Verwirrungen und Entgleisungen über die Ursachen sowie den Umgang mit den Krisenfolgen im medialen Diskurs beider Länder sensibilisiert. Vielmehr liefert er auch eine mustergültige Anleitung zur Durchführung solcher kritischen Diskursanalysen. Dazu wird zunächst ausführlich auf die theoretischen Grundlagen der Methode eingegangen. Anschließend erfolgt eine fachkundige Kontextualisierung des diskursrelevanten Forschungsgegenstandes – die griechische Haushaltskrise als Folge der globalen Verwerfungen seit 2007. Dabei problematisieren die Autoren – betont sachlich – auch die „‚Schummel‘‑Vorwürfe“ als „Erklärung für die breite öffentliche Resonanz der griechischen Finanzproblematik“ (47) sowie die immer wieder beklagte „Schattenwirtschaft“ (50) in Griechenland. Nach einer Charakterisierung und politischen Einordnung der untersuchten Printmedien erfolgt eine exemplarische Analyse ausgewählter Artikel unter Berücksichtigung folgender Aspekte: Textthema, Themenentfaltung, visuelle Textstruktur, Intertextualität, Metaphorik, Argumentationsstrategien, stillschweigende Vorannahmen und eine wortorientierte Analyse. Im Fazit schreiben die Autoren, dass sich durch die Medienberichterstattung im Jahr 2010 insbesondere das Griechenlandbild in Deutschland innerhalb nur eines halben Jahres derart verschlechtert hat, dass Forderungen nach einem EU‑Austritt Griechenlands ganz selbstverständlich auch in gemäßigten politischen Kreisen erhoben wurden. Als Dilemma machen die Autoren dabei bis heute aus, dass globale Phänomene wie die Finanz‑ und Wirtschaftskrise eigentlich eine globale mediale Betrachtung und eine entsprechende Moderation erforderten. Stattdessen orientierten sich die Medien bewusst nur an ihren nationalen und regionalen Zielgruppen.