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Juli Zeh

Die Diktatur der Demokraten. Warum ohne Recht kein Staat zu machen ist

Hamburg: edition Körber-Stiftung 2012; 198 S.; brosch., 14,- €; ISBN 978-3-89684-095-0
Die Staatengemeinschaft versucht, Länder wie Kosovo oder Bosnien‑Herzegowina zu demokratisieren, regiert diese Länder durch die Errichtung von Übergangsregimen aber gleichzeitig auf indiskutabel undemokratische Art und Weise: Dies ist der Kern des Vorwurfs, den Juli Zeh mit Verve vertritt. Das Buch basiert auf ihrer 2011 bereits veröffentlichten rechtswissenschaftlichen Dissertation und hat den Anspruch, deren Ergebnisse für ein nichtjuristisches Publikum nachvollziehbar zusammenzufassen. Dabei handelt es sich auch hier kaum um ein populärwissenschaftliches Werk, sondern weiterhin um eine solide juristische Aufarbeitung der Materie. Zunächst erfolgt eine Einführung in die Geschichte der Errichtung des Office of the High Representative (OHR) in Bosnien infolge des Dayton‑Abkommens 1995 sowie der UN Interim Mission in Kosovo (UNMIK) infolge des Sezessionskriegs 1999. In beiden Staaten gehen die Entscheidungen der internationalen Organe denjenigen der Organe des entsprechenden Staates vor und unterliegen keinerlei gerichtlicher Nachprüfbarkeit, weder durch die Gerichte des Landes noch durch eine internationale Gerichtsbarkeit. Dieses Vorgehen, so klagt Zeh an, schade der Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen und konterkariere das erklärte Ziel, demokratisch gewaltenteilende Strukturen in den betreffenden Staaten zu errichten. Zeh warnt davor, sich im Völkerrecht auf ein „reines Botanisieren“ (183) zu beschränken und die Normativität des Faktischen bedingungslos anzuerkennen. Stattdessen sei es nach wie vor Aufgabe des Völkerrechts, normativ‑rechtsetzend zu einer Domestizierung der Sphäre internationalen Rechts beizutragen. Konkret müssten in den betroffenen Staaten die nationalen Verfassungsgerichte anfangen, die bestehende Lücke rechtlicher Verantwortbarkeit mittels einer „Notzuständigkeit“ (184) zu füllen, solange die Übergangsverwaltungen ihrerseits nicht den Mindeststandard einer unabhängigen Justiz erfüllen. Darüber hinaus aber ist es unumgänglich, dass sich in denjenigen Staaten, die Übergangsregime tragen, eine Diskussion zur Problematik entwickelt.
Sebastian Galka (SGA)
Doktorand, Institut für Sozialwissenschaften (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 4.41 | 2.2 | 4.1 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Galka, Rezension zu: Juli Zeh: Die Diktatur der Demokraten. Hamburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36128-die-diktatur-der-demokraten_43149, veröffentlicht am 29.08.2013. Buch-Nr.: 43149 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken