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Eike Wolf

Die Causa Guttenberg. Anatomie eines politischen Skandals

Marburg: Tectum Verlag 2013; 119 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-8288-3093-6
Der Soziologe Eike Wolf, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Leibniz Universität Hannover, bricht in dieser kleinen Studie (die nach Art und Umfang einer Abschlussarbeit entspricht) den Skandal um die plagiierte Dissertation von Karl‑Theodor zu Guttenberg, damals deutscher Verteidigungsminister, herunter auf die vielleicht einfachste Ebene des öffentlichen Diskurses – auf die Leserbriefe zum Thema. Konkret ausgewertet hat Wolf insgesamt 94 Briefe an die Boulevard‑Zeitung BILD, die den Minister publizistisch zu halten versuchte, sowie an die Süddeutsche Zeitung, die beispielhaft hier den überregionalen Qualitätsjournalismus repräsentiert und in der eine kritische Haltung zum wissenschaftlichen Vergehen Guttenbergs vorherrschte. Wolf stellt seine Beobachtungen zudem in einen kurz skizzierten theoretischen Rahmen, in dem er u. a. auf Niklas Luhmann und Ronald Hitzler zurückgreift. Im Mittelpunkt steht die Auswertung zweier konträrer Leserbriefe, aus denen Wolf einen Diskurs herausfiltert, bei dem die eigene Gesinnung – und nicht etwa die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens oder eine politische Ethik – als Maßstab diente. Die Diskussion auf den Leserbriefseiten also „[wurde] auf einer Ebene geführt […], die nichts zum tatsächlichen Ausgang der Affäre beisteuern konnte“ (75). Ob sich diese These halten lässt, dürfte fraglich sein. Denn ausgeblendet bleibt die Überlegung, inwieweit über den Diskurs der Mediennutzer nicht auch ein politscher Faktor entstehen kann. Die Behauptung aber, dass die Süddeutsche Zeitung zwar „jede Meinung“ druckt, damit aber angesichts der eigenen ablehnenden Haltung gegenüber Guttenberg nur eine „Pseudo‑Diskursivität“ (73) erzeuge, ist eine Unterstellung, mit der der Unterschied zwischen journalistischem Auftrag und Sinn wie Zweck von Leserbriefseiten missachtet wird. Überhaupt stellt sich die Frage, ob die „Causa Guttenberg“, die Ausgangspunkt für den Prozess der Selbstvergewisserung der Wissenschaft über die Regeln ihres Arbeitens gewesen ist, mit dem Blick allein auf wenige Leserbriefe angemessen eingeordnet wird.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.333 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Eike Wolf: Die Causa Guttenberg. Marburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36109-die-causa-guttenberg_44198, veröffentlicht am 29.08.2013. Buch-Nr.: 44198 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken