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Willi Baer / Karl-Heinz Dellwo (Hrsg.)

Die blutigen Tage von Genua 2001. G8-Gipfel, Widerstand und Repressionen

Hamburg: LAIKA Verlag 2011 (Bibliothek des Widerstands 17); 200 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-942281-87-4
Der G8-Gipfel vom 18. bis 22. Juli 2001 in Genua ist unweigerlich mit den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen italienischen Sicherheitskräften und Globalisierungskritikern verbunden. Ein mächtiges Polizeiaufgebot und die Ausübung massiver und brutaler Gewalt gegenüber den Teilnehmenden der Protestveranstaltungen hatten einen toten, von einem Carabinieri erschossenen, Demonstranten, mehrere hundert Verletzte und über 250 Festnahmen zur Folge. Die Tötung von Carlo Giuliani, der polizeiliche Übergriff auf das Nachtlager der Globalisierungskritiker in der Diaz-Schule und die brutalen Übergriffe in der als Durchgangsgefängnis genutzten Kaserne Bolzaneto zählen als Schlüsselereignisse der Gewaltexzesse. Die Autoren wollen die Geschehnisse nicht im Einzelnen rekonstruieren, sondern stellen sie – anders als in der juristischen Aufarbeitung – in den Gesamtkontext des G8-Gipfels, der politischen Bedeutung Berlusconis und der Historie der italienischen Sicherheitskräfte, um die verschiedenen Gewalttaten als Einheit zu interpretieren. Hierfür werden unterschiedliche Zugänge gewählt. Oliviereo Pettenati ordnet die Ereignisse entlang der Unterscheidung zwischen direkten und symbolischen Handlungen ein. Vor dem Hintergrund, dass das Symbolische nur dann funktioniert, „wenn alle Beteiligten bereit sind, sich auf eine gemeinsame symbolische Ebene zu begeben“, erscheinen die Geschehnisse als „Zusammenstoß zweier unterschiedlich konstruierter, symbolischer Realitäten“ (17). Ihre persönlichen Eindrücke zehn Jahre nach den Ereignissen schildern zwei Globalisierungskritiker in einem Interview. In weiteren Beiträgen geht es um die gesellschaftliche Stellung von Militär und Polizei, ihre Strategien beim G8-Gipel und den Kampf um die Wahrheit im Nachgang der Ereignisse. So fragt etwa Salvatore Palidda, Professor für Soziologie in Genua, ob es sich um eine einzigartige Gewaltanwendung handelte oder sie bereits Ausdruck einer allgemeinen staatlichen Entwicklung ist. Donatella della Porta unternimmt einen internationalen Vergleich von Modellen polizeilicher Strategien. Danach erscheint Genua „als der vorläufige Höhepunkt der Eskalation von Zwangsstrategien gegen die Anti-Globalisierungsbewegung“ (127). Die Filme auf den beigelegten DVDs legen höchst eindrücklich Zeugnis hiervon ab. Es ist ein großes Verdienst der Autoren und Herausgeber sowie insgesamt dieser ambitionierten Reihe, Ereignisse wie diese in Erinnerung zu halten. Und man muss keine Sympathisantin der (ultra)linken Bewegung sein, um die Beiträge in diesem Band mit Erkenntnisgewinn zu lesen.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.612.222.254.43 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Willi Baer / Karl-Heinz Dellwo (Hrsg.): Die blutigen Tage von Genua 2001. Hamburg: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34188-die-blutigen-tage-von-genua-2001_41012, veröffentlicht am 22.03.2012. Buch-Nr.: 41012 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken