
Deutschland, Schweden und der Wandel der Sicherheitspolitik in Europa von 1945 bis 2010. Eine vergleichende rollentheoretische Untersuchung von Ego und (signifikantem) Alter
Diss. Trier; Begutachtung: H. W. Maull, J. Schild. – Unter welchen Bedingungen sind Staaten in ihrer Außen‑ und Sicherheitspolitik aufnahmebereit für Fremderwartungen und lassen sich entsprechend von anderen Staaten in ihrem Denken und Handeln beeinflussen? Rachel Folz untersucht diese Frage für den Bereich der Sicherheitspolitik am Beispiel Deutschlands und Schwedens im Zeitraum zwischen 1945 und 2010. Dabei greift sie mit der sozialisationstheoretisch angereicherten Rollentheorie auf eine für eine Arbeit der internationalen Beziehungen ungewöhnliche theoretische Grundlage zurück. Übertragen auf die internationalen Beziehungen bezeichnet dieser Ansatz Staaten als Ego („ich“), versehen mit einem eigenen nationalen Rollenkonzept und Eigenerwartungen. Diesem Ego gegenübergestellt ist Alter („der Andere“) in Form von anderen Staaten und internationalen Organisationen, die bestimmte Fremderwartungen über das Handeln von Ego formulieren und ihre Übereinstimmung mit dessen Eigenerwartungen fordern. In ihren theoretischen Überlegungen legt die Autorin zudem – anders als bisherige Studien in diesem Bereich – den Schwerpunkt auf die Einwirkung von Alter und unterscheidet hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten zwischen keiner, einer einfachen und zuletzt noch einer konzeptionellen Einwirkung, die bedeutet, dass es zu einem grundsätzlichen oder zumindest segmentalen Wandel im Rollenverständnis von Ego kommt. Dies könnten jedoch nur die signifikanten Anderen auslösen. Identifiziert wird diese Einwirkung dadurch, dass es zu einer Übereinstimmung von Staaten mit den Fremderwartungen anderer Staaten oder internationaler Organisationen kommt. In ihren empirischen Studien stellt die Autorin fest, dass die Alter‑Einwirkung insgesamt für den Großstaat Deutschland wesentlich ausgeprägter ist als für den Kleinstaat Schweden, was konträr zu den Annahmen der neorealistischen Schule liegt. Folz leitet zudem eine Reihe an Hypothesen aus den Fallbeispielen ab. Dazu gehört etwa, dass Alter dann keine Einwirkung auf Ego erzielen kann, wenn Alter von Ego als Teil seiner Fremdgruppe wahrgenommen wird. Eine einfache Alter‑Einwirkung könne jedoch dann vorliegen, wenn etwa innerstaatliche Vetospieler diese Fremderwartung unterstützen oder Entscheidungsträger Alter als Fremdgruppe aufwerten. Eine konzeptionelle Alter‑Einwirkung würde wiederum dann entstehen, wenn Ego sich zum Beispiel mit Alter identifiziert oder die Fremderwartung in der Gesellschaft insgesamt weit verbreitet ist.