Der bekannte Journalist deutet die gegenwärtige Situation sowie die Entwicklung der letzten Jahre als einen neuen Kalten Krieg. Die Nato-Osterweiterung, die Balkankriege, die Afghanistan-Invasion oder der Irak-Feldzug – sie alle wurden ohne Rücksicht auf Moskau oder andere nichtwestliche Mächte unternommen. Der von Scholl-Latour beschriebene Kalte Krieg ist jedoch keine schlichte Neuauflage des alten. In der Ossetien-Krise offenbarte sich, so der Autor, dass die derzeitige Weltlage nicht den bekannten und auch stabilisierenden bipolaren Antagonismus aufweist, sondern sich vielmehr multipolar klassifiziert: Washington und die europäischen Verbündeten auf der einen Seite, Moskau, Peking und die islamische Welt auf der anderen. Dabei sieht Scholl-Latour jedoch auch interne Spannungen. Während die USA unter Präsident Bush eine Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die NATO wünschten, lobt er Angela Merkels Ablehnung dieser Bestrebungen, stellt aber auch fest: „Die Spaltung der EU in Ost und West ist vertieft worden. Seit der französische Staatschef Nikolas Sarkozy sich vom gaullistischen Erbe abwendet und sich deutlich atlantisch ausrichtet, hat sich der Einfluss Berlins ohnehin reduziert“ (285). Immer wieder lässt der Autor seinen Ärger über ein politisch uneiniges Europa durchblicken, das auf diese Weise zahlreiche Chancen verspiele, wenn er beispielsweise formuliert: Es sind „die 27 Staaten der EU selbst, die dem Aufbau eines unabhängig operierenden Militärpotenzials durch ihre Eifersüchteleien und die exzessive Reduzierung ihres Rüstungsbudgets im Wege stehen“ (299). Als weitere Entwicklung gibt er zu bedenken, dass sich der Westen damit auseinandersetzen müsse, dass die parlamentarische Demokratie keinen Anspruch mehr auf globale Gültigkeit erheben könne. Zudem würde es den Autor nicht verwundern, so warnt er, wenn Russland auf die Bestrebungen der USA hin, ein Raketenabwehrsystem in Polen zu stationieren, im Gegenzug Lenkwaffen in Belarus installierte.