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Hans-Helmuth Knütter / Stefan Winckler (Hrsg.)

Der Verfassungsschutz. Auf der Suche nach dem verlorenen Feind

München: Universitas 2000; 441 S.; geb., 25,51 €; ISBN 3-8004-1407-4
Über den Verfassungsschutz wurde schon einiges geschrieben. Es verwundert daher kaum, wenn in diesem Buch Thesen verbreitet werden, die man - jedenfalls zum Teil - wiederholt gelesen oder gehört hat: dass in Deutschland eine besondere Neigung zur Gesinnungskontrolle existiere und der Verfassungsschutz zu diesem Zweck missbraucht werde, dass "brave" Personen und Organisationen auf diese Weise unverdient und unberechtigt in dessen Visier gelangen und dass das Ende des Ost-West-Konflikts diese Institution nach einer neuen Aufgabendefinition suchen lässt u. v. a. m. Insoweit scheint dieses Buch keinen Nachrichtenwert aufzuweisen. Gleichwohl ist es keines unter vielen. Was ein flüchtiger Blick in das Autorenverzeichnis lediglich vermuten lässt, bestätigt sich beim Lesen der Einleitung schnell. Die Aufmerksamkeit, die dem Geheimdienst hier zuteil wird, stammt politisch von rechts, und die formulierten Vorwürfe richten sich auf Praktiken, die zum - angeblichen - Nachteil Rechter führten und führen. So wird schon in der Einleitung dem Verfassungsschutz vehement Einseitigkeit vorgeworfen und "vor einer Instrumentalisierung der Verfassungsschutzbehörden durch eine eher linke, scheinliberale politische Klasse" (18) gewarnt. Dass der Verfassungsschutz gegen den Rechtsextremismus aktiver geworden sei, liege an 1989/1990 ausgelösten Legitimationsängsten und an "Jugendliche[n die], stark angetrunken und oberflächlich politisiert", Brandsätze gegen Asylbewerber warfen und "damit ein weltweites Medienecho" (19) auslösten. Obgleich die Herausgeber bekunden, keinen Wert "auf das modische Betroffenheitsvokabular oder die weinerliche Wiedergabe von wirklicher Benachteiligung oder angeblicher Verfolgung" (15) zu legen, liegt der Schwerpunkt des Bandes auf Beiträgen, die die angeblich unbegründete "Verfolgung" rechter bzw. konservativer, aber angeblich verfassungstreuer Personen oder Institutionen durch den Verfassungsschutz skandalisieren. Inhalt: Hans-Helmuth Knütter / Stefan Winckler: Einleitung: Auf der Suche nach dem verlorenen Feind? Über die Verfassungsschutzämter nach dem Ost-West-Konflikt (9-22). Der Administrative Verfassungsschutz im Kontext der Geschichte: Caspar von Schrenck-Notzing: Zensur - einst und jetzt (25-38); Hans-Helmuth Knütter: Der Verfassungsschutz und die politische Kultur nach dem Ende des Kalten Krieges (39-49). Gut Gedacht: Grundlagen: Hans-Helmuth Knütter: Das Konzept der "wehrhaften Demokratie" (53-76); F. Roland A. Richter: Rechtliche Grundlagen des administrativen Verfassungsschutzes (77-118); Heinrich Lummer: Demokratie und Denunziation. V-Leute im freiheitlichen Staat (119-138). Schlecht gemacht: Der Missbrauch: Klaus Kunze: Verfassungsschutz ist nicht gleich Schutz der Verfassung. Die Parteipolitik färbt das Bild der zu schützenden Verfassung (141-154); Josef Schüsslburner: Amtliche Ideologiekontrolle durch verfassungswidrige Verfassungsschutzberichte (155-204); Manfred Brunner: Wer schützt Grundrechte vor dem Verfassungsschutz? Das Beispiel "Junge Freiheit" (205-235); Stefan Winckler: Konservative im Visier. Von einer ideologischen Politikwissenschaft zur amtlichen Verdächtigung (236-267); Bernd Kallina: Der Inlandsnachrichtendienst als Akteur einer umstrittenen Geschichtspolitik - Die Fälle der Historiker Schickel und Hoffmann (268-312); Stefan Winckler: Der Fall Schultze-Rhonhof. Oder: Eine Lawine, vom Verfassungsschutz leichtfertig losgetreten (313-331). Verfassungsschutz in der Zukunft: Erweiterung der Aufgaben dank neuer Feinde? Martin Hohmann / Gunnar Digutsch: Was kann und was darf der Verfassungsschutz bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität leisten? (335-355); Hans-Helmuth Knütter: Die neuen Inquisitoren. Rezensionsessay über die "Sektenkeule" (356-362). Schlussbetrachtung: Josef Schüsslburner: Verfassungsschutz, Gedankenpolizei, Staatsschutz, Grundgesetzpolizei - was ist die Lösung? (365-419). Anhang.
Detlef Lemke (LE)
Dipl.-Politologe.
Rubrizierung: 2.35 | 2.333 | 2.325 | 2.37 | 2.324 Empfohlene Zitierweise: Detlef Lemke, Rezension zu: Hans-Helmuth Knütter / Stefan Winckler (Hrsg.): Der Verfassungsschutz. München: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/8756-der-verfassungsschutz_15671, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 15671 Rezension drucken