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Joseph Vogl

Der Souveränitätseffekt

Zürich: diaphanes 2015; 320 S.; geb., 24,95 €; ISBN 978-3-03734-250-3
Die Studie des an der Humboldt‑Universität zu Berlin Literatur‑ und Kulturwissenschaft lehrenden Autors über politische Souveränität fand in den Medien ein lebhaftes Echo und wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015 nominiert. Zum medialen Interesse dürfte beigetragen haben, dass Vogls Arbeit – anders als das Gros politikwissenschaftlicher Texte – glänzend formuliert ist und sie, ausgehend von der jüngsten Wirtschafts‑ und Finanzkrise, eine außerordentlich pointierte Einschätzung des Verhältnisses von Politik und Ökonomie enthält, die sich zum Teil explizit von sozialwissenschaftlichen Sichtweisen abgrenzt. Im Kern geht es Vogl um die These, „dass sich im modernen Finanzwesen eine politische Entscheidungsmacht konzentriert, die abseits von Volkssouveränität und unter Umgehung demokratischer Prozeduren agiert“. In seiner ausdrücklich als „historisch‑spekulative[n] Versuch“ (8) charakterisierten Analyse verbindet Vogl eine Zeitdiagnose mit einer genealogischen Untersuchung des spezifischen, an der Schnittstelle von Staat und Ökonomie liegenden Machttypus. Unter zeitdiagnostischen Gesichtspunkten entwickelt er zunächst das Argument, der Modus des seit 2008 befolgten Krisenmanagements stelle eine funktionale Entdifferenzierung dar, die – basierend auf einer wechselseitigen Verflechtung staatlicher, überstaatlicher und finanzwirtschaftlicher Agenturen – die Unterscheidung öffentlich/privat unterlaufe; eine Konstellation zudem, die zweifellos einschlägige politische Theorien über das Spannungsverhältnis von Markt und Staat obsolet erscheinen lasse. Dieses Argument untermauert er dann mit einer sehr differenzierten Analyse der gesellschaftlichen Semantik zum Topos politischer Ökonomie seit dem 17. Jahrhundert: Schon in der Neuzeit habe sich – in der Transformation theologischer Denkfiguren – die Gleichsetzung von gutem und ökonomischem Regieren ausgebildet. Die sich damit ankündigende Verschmelzung von Wertschöpfung und Machtausübung habe sich mit der Entwicklung von Geldwesen und kreditfinanzierter Staatstätigkeit verstetigt und sei mit der Etablierung von Zentralbanken mehr und mehr institutionalisiert worden. Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte habe schließlich zu einer partiellen Entstaatlichung souveräner Befugnisse und zur Positionierung des Finanzregimes als „parademokratische[.] Ausnahmemacht“ (251) geführt.
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Rubrizierung: 2.22.212.225.41 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Joseph Vogl: Der Souveränitätseffekt Zürich: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38963-der-souveraenitaetseffekt_43381, veröffentlicht am 15.10.2015. Buch-Nr.: 43381 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken