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Volker M. Heins

Der Skandal der Vielfalt. Geschichte und Konzepte des Multikulturalismus

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2013; 205 S.; kart., 19,90 €; ISBN 978-3-593-39969-0
Debatten über die Freizügigkeit rumänischer Arbeitskräfte oder das Votum in der Schweiz für Zuwanderungsbeschränkungen – aktuelle Beispiele deuten immer wieder auf die Herausforderung hin, die das Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft bedeutet. Heins schreibt darum zugespitzt: „Dass Vielfalt eine gute Sache ist, scheint unumstritten zu sein. Die Frage ist nur: Vielfalt wovon?“ (9) Sein Buchtitel ist angelehnt an die Aussage des französischen Anthropologen Claude Lévi‑Strauss, der vom Skandal der Vielfalt sprach, der Gesellschaften aufschrecke, wenn sie sich mit kulturellen Abweichungen konfrontiert sehen. Dieses Bild ergänzt Heins um den wichtigen Gedanken, dass gerade in modernen Gesellschaften – unter anderem durch zunehmende Verrechtlichung und mediale Aufmerksamkeit – die Gewohnheiten, Sitten und Ängste der Bevölkerung stärker vereinheitlicht sind: „Dadurch werden selbst geringe Abweichungen, die Einwanderer und andere ‚Fremde’ kennzeichnen, leicht zum Gegenstand von Stereotypen und negativen Klassifikationen.“ (11) Und so reagieren Teile der Bevölkerung auch heute sehr schnell negativ auf Fremdes, vermeintlich Bedrohliches. Vor diesem Hintergrund definiert Heins den Multikulturalismus einerseits als Denkhaltung und andererseits als politische Reformbewegung. Er liefert eine (Ideen‑)Geschichte des Multikulturalismus und seines Wandels; von der „Pathologie des klassischen europäischen Nationalstaats“ (42) und des Kolonialismus sowie den Anpassungsbestrebungen, etwa der europäischen Juden, zur allmählichen Abkehr von Assimilation. Im Fokus steht auch die besondere Rolle Kanadas in der Entwicklung der Idee des Multikulturalismus, durch Denker wie Charles Taylor oder James Tully. Doch auch unterschiedliche Theorie‑Kritiken zeigt Heins auf. Das, was er als „Unbehagen in der Multikultur“ überschreibt, illustriert er anhand einer Auswahl gesellschaftlicher Debatten und Konflikte, die sich um kulturelle Anerkennung und Anpassung drehen. Dieses Unbehagen hänge „teils mit Missverständnissen der Idee des Multikulturalismus zusammen, teils mit realen Fehlentwicklungen und Misserfolgen“ (127) – Letztere bleiben allerdings weitgehend außen vor. Das liegt daran, dass Heins’ Buch insgesamt eher eine Verteidigungs‑ als eine Streitschrift ist: eine (theoriebasierte) Argumentationshilfe zugunsten des Multikulturalismus.
Frank Kaltofen (FK)
Politikwissenschaftler, Promotionsstudent, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.235.422.3152.35 Empfohlene Zitierweise: Frank Kaltofen, Rezension zu: Volker M. Heins: Der Skandal der Vielfalt. Frankfurt a. M./New York: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36819-der-skandal-der-vielfalt_44854, veröffentlicht am 06.03.2014. Buch-Nr.: 44854 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken