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Erhard Eppler

Der Politik aufs Maul geschaut – Kleines Wörterbuch zum öffentlichen Sprachgebrauch

Bonn: Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger 2009; 193 S.; 2. Aufl.; brosch., 14,80 €; ISBN 978-3-8012-0397-9
Als US-Präsident George W. Bush am 12. September 2001 den Krieg gegen den Terrorismus ausrief, wurde plötzlich ein Terrorist „in den Bergen zwischen Afghanistan und Pakistan“ zum „Gegenspieler des amerikanischen Präsidenten“ (75), Verbrecherjagd mithin als Krieg inszeniert und mit dessen Mitteln betrieben. Der Autor, langjähriger und prominenter SPD-Politiker, ruft mit diesen Bemerkungen zum Begriff des Krieges prägnant die politische Wirkmacht und Bedeutsamkeit des Wortes in Erinnerung. Auf diese Weise widmet sich Eppler verschiedenen Begriffen der politischen Sprache. In diesem Fall verweist er darauf, dass die Zustimmung vieler US-Amerikaner zum Irakkrieg eben in der Terminologie begründet lag, man befand sich in einem reichlich abstrakten, aber bereits ausgerufenen Krieg. Eppler vertritt zwar mit Verve die Überzeugung, dass „zur Zivilisation Staaten gehören, die Recht setzen und Recht durchsetzen“ (77). Bei Mord aber handele es sich um Kriminalität und nicht um Krieg. Wer daher von Neuen Kriegen spreche, habe das staatliche Gewaltmonopol bereits abgeschrieben. Die Frage, ob Deutschland in Afghanistan Krieg führt, beantwortet der Autor zwar nicht direkt, stellt aber die Gegenfrage, ob auch in Deutschland Krieg herrschen würde, kämen hier Menschen durch Selbstmordattentate um. Eppler widmet sich mit ähnlichem Engagement auch anderen Begriffen, etwa dem der Bildung. Heute verstehe man darunter vor allem die „Investition in Humankapital“ (19). Demgegenüber erinnert er an den Bildungsbegriff der Goethe-Zeit, der auf Charakter- und Wesensbildung zielte und mit den Humboldt’schen Reformen kulturpolitisch wirksam wurde. Die „Ökonomisierung unseres Bewusstseins“ aber schlägt sich seiner Ansicht nach auch in den Grundsatzprogrammen der Parteien nieder. Bis in die 80er-Jahre habe man engagiert über Bildungsziele diskutiert, davon sei „fast nichts übrig geblieben“ (21). Nicht, wie müssten wir leben, um ökonomisch erfolgreich zu sein, sondern, wie wollen wir leben, müsse wieder die zentrale Frage der Politik lauten, so Eppler.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.35 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Erhard Eppler: Der Politik aufs Maul geschaut – Kleines Wörterbuch zum öffentlichen Sprachgebrauch Bonn: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31259-der-politik-aufs-maul-geschaut--kleines-woerterbuch-zum-oeffentlichen-sprachgebrauch_37182, veröffentlicht am 25.10.2010. Buch-Nr.: 37182 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken