
Der "offene Verfassungsstaat" des Grundgesetzes nach 60 Jahren. Anspruch und Wirklichkeit einer großen Errungenschaft
Im Unterschied zu anderen Grundgesetz-Jubiläumsbänden werden in dieser Publikation, die aus einem Workshop des genannten Instituts im Mai 2009 hervorgegangen ist, ausschließlich die europa- und völkerrechtlichen Bezüge untersucht, die in der Verfassungslehre mit dem Schlagwort des Konzepts „offener Verfassungsstaatlichkeit“ verbunden sind. Das Thema wird zunächst in historischer Perspektive einschließlich Weimar und Verfassungstradition des 19. Jahrhunderts eröffnet. In zwei weiteren Hauptkapiteln folgt dann eine Analyse der „Völkerrechts-“ bzw. der „Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Wandel der Anschauungen“. Systematisch wird dabei jeweils die (rechts-)politische Praxis der einzelnen Gewalten zwischen „Freundlichkeit“ und „Skepsis“ bearbeitet, wobei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen Schwerpunkt bildet (Souveränitäts- und rigoroser Kassationsvorbehalt beim „Europäischen Haftbefehl“, Lissabon-Vertrag, aber auch in der „Görgülü-Entscheidung“ zur Bindungswirkung der EMRK). Trotz des bisher erreichten Stands der Öffnung fragt der Herausgeber in seiner Einführung daher zurecht, warum „die Devise der deutschen Entscheidungsträger in allen drei Gewalten nicht [lautet...], so völker- und europarechtsfreundlich wie möglich zu handeln“ und diese vorbehaltlos als „Staatsräson“ – nicht als Gegensatz – in die „Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 33 GG ein[zubeziehen]“ (28). Das trifft natürlich vor allem die „souveräne Grundgesetzinterpretation“ des Zweiten Senats, der mit seinem „Staatsbild“ – so Ulrich Fastenrath – den „Souverän [entmündigt] und [...] ihn Mores [lehrt]“ (323). Ergänzt wird das insgesamt durch vergleichende Bezüge, insbesondere zur Rechtsprechung des US-Supreme Courts und des österreichischen Verfassungsgerichtshofs bzw. zur Offenheit der schweizerischen und österreichischen Bundesverfassung.