Der liberale Liberalismus. Notwendige Abgrenzungen
In dieser erweiterten Fassung einer 2005 gehaltenen Rede begründet Kersting einen basalen Liberalismus, der ohne jedes weitere Attribut auskommt. Er verdichtet den Liberalismus auf eine rechtsphilosophische Vertragslehre, die sich vor allem gegen Wohlfahrtsstaatlichkeit und extensiven Normativismus des Politischen wendet. Mit Vehemenz richtet er über Egalitarismus, Sozialstaatlichkeit und Neoliberalismuskritik, wobei die Prämisse seiner Argumentation lautet, dass der Liberalismus die politische Idee der Moderne sei und jegliche Infragestellung einen (sozial)romantisch-moralischen Konservatismus impliziere. Aufschlussreich für Kerstings Konstruktion ist, dass sein Verriss einer bloß moralisch begründeten Kapitalismuskritik dort bricht, wo die Libertarians das rationale Handeln des homo oeconomicus zur Quelle von Moralität erklären und dazu tendieren, Ordnungspolitik, die für Kersting selbst moralisch aufgeladen ist, als solche zu suspendieren. Dies führt zwangsläufig zu einer merkwürdigen Parallelität von Aussagen, die einerseits Markt und Ökonomie zur Vorbedingung von verantwortungsethischem Handeln stilisieren und andererseits die dort angenommene rationale Logik als zu unzureichend erklärt, eine stabile Moralordnung zu begründen. Die modernistisch vorgetragene Absage der bloß moralischen Neoliberalismuskritik endet in der konservativ-moralischen Verteidigung von „Zwangsgesetzen und sanktionsbewehrten Institutionen“ (40).