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Hans Mommsen / Kovác Dušan / Malír Jiri (Hrsg.)

Der Erste Weltkrieg und die Beziehungen zwischen Tschechen, Slowaken und Deutschen. Für die Deutsch-Tschechische und Deutsch-Slowakische Historikerkommission

Essen: Klartext 2001 (Veröffentlichungen der Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission 5/Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa 12); 330 S.; 19,90 €; ISBN 3-88474-951-X
Jenseits der tagespolitischen Irritationen hinsichtlich der Benes-Dekrete beschäftigt sich seit langem eine eine deutsch-tschechische und eine deutsch-slowakische Historikerkommission mit der historisch-politischen Vergangenheit der Tschechen, Slowaken und Deutschen. Die Forschungsergebnisse der Kommission sind in mehreren Veröffentlichungen zugänglich. Die Aufsätze dieses Bandes zu den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf das Verhältnis der drei Völker gehen auf eine Konferenz in Bratislava im Februar 1996 zurück. Bewusst verzichten die Herausgeber auf eine Gesamtdarstellung der politischen, sozialen, kulturellen und nationalen Probleme, die in den böhmischen Ländern und in der Slowakei mit dem Ersten Weltkrieg auftraten. "Vielmehr geht es darum, an ausgewählten Beispielen den schleichenden Entfremdungsprozeß anschaulich zu machen, der Deutsche und Tschechen - und mit ihnen die Slowaken - unter dem Einfluß der nationalistischen Hochstimmung des Krieges auseinander brachte." (12) Exemplarisch zeichnen die Autoren die politische Emanzipation der tschechischen Parteien von der Habsburger Monarchie nach. Zudem wird die bislang in der Fachliteratur wenig diskutierte Frage erörtert, unter welchen Umständen sich die slowakische Gesellschaft der tschechoslowakischen Staatsidee von Masaryk zuwandte. Auch wenn die Existenz einer selbständigen tschechischen Nation vonseiten der Deutschen als Faktum hingenommen wurde, setzte sich die kulturelle Symbiose zwischen den beiden Völkern mit all ihren Verwicklungen und Missverständnissen fort. Dazu gehören auch die in der aufgeheizten Atmosphäre des Ersten Weltkrieges besonders von den österreichischen Deutschnationalen geschürten Ressentiments gegenüber den Tschechen, die in der gesamten deutschen Publizistik jener Zeit zu finden waren. Das mit Vorurteilen aufgeladene Geschichtsbild der Deutschen bezüglich der tschechischen Nation belastete bis zum Ende des 20. Jahrhunderts das Verhältnis beider Staaten. Der Streit um die Benes-Dekrete zeigt, wie tief selbst heute noch das gegenseitige Misstrauen zwischen Deutschen und Tschechen sitzt. Erst die jüngeren Generationen, die nicht unmittelbar unter den Folgen der Weltkriege gelitten haben, werden fähig sein, ein deutsch-tschechisch-slowakisches Verhältnis aufzubauen, das jenseits des Vorverurteilens liegt. Inhalt: I. Die Entwicklung der böhmischen Frage: Zdenek Kárník: Die Idee der Donaumonarchie und das Verhältnis der tschechischen Parteien zum Deutschen Reich (15-46); Jan Havránek: Politische Repression und Versorgungsengpässe in den böhmischen Ländern 1914 bis 1918 (47-66); Karel Pichlík: Europa nach dem Krieg in den Vorstellungen T. G. Masaryks im Exil (67-80); Frank Hadler: Die Herausbildung der tschechisch-slowakischen Zusammenarbeit im Exil während des Ersten Weltkrieges (81-92). II. Die Entwicklung der slowakischen Frage: Monika Glettler: Die slowakische Gesellschaft unter der Einwirkung von Krieg und Militarisierung 1914-1918 (93-108); Elena Mannová: Die ungarische und die tschechoslowakische Staatsidee: Der Bewußtseinswandel der slowakischen Gesellschaft (109-120); Dušan Kovác: Die Entwicklung der slowakischen Frage zwischen der Entente und den Mittelmächten (121-130); Miroslav Bobrík: Die Deutschen in der Slowakei und die slowakische Frage im und nach dem Ersten Weltkrieg (1916-1919) (131-139). III. Die Rolle der deutschen Politik: Hanns Haas: Im Widerstreit der Selbstbestimmungsansprüche: vom Habsburgerstaat zur Tschechoslowakei - die Deutschen der böhmischen Länder 1918 bis 1919 (141-220); Birgitt Morgenbrod: Die 'böhmische Frage' in der reichsdeutschen Publizistik 1914-1918 (221-240); Rudolf Jaworski: Friedrich Naumann und die Tschechen (241-254). IV. Massenproteste gegen die Fortführung des Kriegs und gegen soziale Unterdrückung: Peter Heumos: "Kartoffeln her oder es gibt eine Revolution". Hungerkrawalle, Streiks und Massenproteste in den böhmischen Ländern 1914-1918 (255-286); L'ubomír Lipták: Soldatenrevolten und die Spaltung der Nationalitäten in Ungarn 1918 (287-292); Artur Schlegelmilch: Massenprotest in der Burgfriedensgesellschaft in Deutschland 1914-1918 (293-305).
Wilhelm Johann Siemers (SIE)
Dipl.-Politologe, Journalist, Redakteur der Sprachlernzeitschrift vitamin de, Florenz.
Rubrizierung: 4.2 | 2.62 | 2.311 | 4.1 | 4.21 | 4.22 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Johann Siemers, Rezension zu: Hans Mommsen / Kovác Dušan / Malír Jiri (Hrsg.): Der Erste Weltkrieg und die Beziehungen zwischen Tschechen, Slowaken und Deutschen. Essen: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14022-der-erste-weltkrieg-und-die-beziehungen-zwischen-tschechen-slowaken-und-deutschen_16801, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 16801 Rezension drucken