Der deutsche Sozialstaat im 20. Jahrhundert. Weimarer Republik, DDR und Bundesrepublik Deutschland im Vergleich
Die Zukunft des Sozialstaates ist ein aktuelles Diskussionsthema allerersten Ranges. Das gilt nicht nur für das Thema Altersarmut. Kontroverse Diskussionen prägten die Konkretion des Sozialstaatsgedankens auch schon in der Zeit der Weimarer Republik, ideologisierten ihn im Dritten Reich, prägten die Entwicklung der Bundesrepublik und definierten auch das Selbstverständnis der DDR. Während einer Tagung der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Erfurt 2010 wurden deshalb grundlegende Strukturlinien des deutschen Sozialstaates im 20. Jahrhundert nachgezeichnet. In den ersten vier Beiträgen stehen zunächst die Weimarer Republik und das Dritte Reich im Mittelpunkt. Indem sich die Weimarer Republik als soziale Demokratie verstand, kann sie als Durchbruch des Ordnungsprinzips Sozialstaat verstanden werden. Etappenstichworte in den 1920er-Jahren waren dabei der Achtstundentag und die Arbeitslosenversicherung. In der Endphase der Weimarer Republik erodierte der Sozialstaat jedoch im Zeichen der weltwirtschaftlichen Krisensituation. Im anschließenden Dritten Reich hörte der Sozialstaat dann auf, „ein Rechtsstaat zu sein” (105). In vier Beiträgen stehen die Bundesrepublik und die DDR im Blickpunkt. Zunächst werden die Aufbau- und Ausbauphasen in beiden Teilen Deutschlands dargestellt. Daseinsvorsorge und Fürsorge führen nun zu ganz unterschiedlichen Konzepten. Gegensatz- und Verflechtungsgeschichte greifen dabei eng ineinander. Das gilt ähnlich für die Sanierungsphasen des Sozialstaates in der Bundesrepublik und der DDR seit den 1970er-Jahren. Sozialmanagement hier und schließliche Sozialimplosion dort sind ebenfalls gegensatz- und verflechtungshistorisch interpretierbar. Der Band stellt damit einen wichtigen Baustein zum sozialgeschichtlichen Verständnis des 20. Jahrhunderts dar, für das in Deutschland mehrmalige „Neuerfindungen des Sozialen” (9) prägend wurden.