
Der deutsche Osten in der Schule. Institutionalisierung und Konzeption der Ostkunde in der Bundesrepublik in den 1950er und 1960er Jahren
Diss. Oldenburg; Begutachtung: H. H. Hahn, D. v. Reeken. – Die kontrovers geführten Debatten um das vom Bund der Vertriebenen initiierte Zentrum gegen Vertreibungen haben gezeigt, wie stark historische Themen noch immer zu politischen Streitfragen werden können. Im Zentrum der in diesem Kontext angesiedelten Untersuchung steht die Ostkunde der 1950er‑ und 1960er‑Jahre, also die schulische Vermittlung von Kenntnissen über die ehemaligen deutschen Ostgebiete. Die Autorin analysiert Grundlagen und Entwicklung entsprechender Konzepte sowie deren Implementierung und will außerdem deren Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung in der frühen Bundesrepublik nachweisen. Dies geschieht auf der Grundlage staatlicher Aktenüberlieferungen und Veröffentlichungen von auf dem Feld der Ostkunde tätigen Personen und Institutionen. Mit Konzentration auf Hessen, Niedersachsen und Nordrhein‑Westfalen zeichnet die Autorin sachgebietsbezogen und detailliert die vorläufige Etablierung des Querschnittsthemas Ostkunde im Unterricht nach. Dessen Akteuren gelang es dabei, einigen Einfluss auf staatliche Stellen zu gewinnen. Deutlich wird aber auch, dass dieses Thema insgesamt „Angelegenheit der Vertriebenen und ihrer Interessenvertretungen“ (536) blieb und sich nicht längerfristig halten konnte, wozu fehlende Einheitlichkeit und ein überschaubarer Personenkreis in diesem Feld beitrugen. Die immer wieder vorgenommene Betonung, dass der Einfluss der Ostkunde gleichwohl nicht zu unterschätzen sei, erscheint daher nicht unbedingt überzeugend. Dies gilt besonders für die Zuschreibungen der Autorin, die hier starke Auswirkungen auf die nationale Identität „der Deutschen“ sieht. Die Ostkundler hätten es diesen ermöglicht, „nach dem Zweiten Weltkrieg ein positives Bild der eigenen Vergangenheit und damit eine positive kollektive Identität zu gewinnen“ (526). Für einen Teil der bundesdeutschen Gesellschaft ist dies sicher richtig; angesichts der zunehmenden Westorientierung erscheint die hier unterstellte „Neuorientierung [auf] Ostmitteleuropa als Heimat der Deutschen“ (528) aber fragwürdig.