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Dirk Koch

Der ambulante Schlachthof oder Wie man Politiker wieder das Fürchten lehrt. Die letzten Geheimnisse der Bundesrepublik

Frankfurt a. M.: Westend Verlag 2016; 191 S.; 18,- €; ISBN 978-3-86489-124-3
Der Journalismus steht unter Druck: nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch und öffentlich – und nicht zuletzt durch die immer lauter werdenden Parolen, die das gesellschaftliche Vertrauen in die Medien untergraben. Dieser Eindruck könnte sich durch eine teilweise unkritische, trendorientierte und überhastete Berichterstattung durchaus erhärten, schreibt Dirk Koch, selbst renommierter Journalist und zwischen 1973 und 1997 Leiter des Bonner Spiegel‑Hauptstadtbüros. Allerdings beobachtet er auch: „Die Gegenseite wird frech“ (9). Gemeint ist die Staatsmacht, die, in Anbetracht eines geschwächten Politjournalismus, wieder rigoroser mit ihren Kontrolleuren umgeht. Diesen Eindruck leitet der Autor unter anderem aus dem Ermittlungsverfahren gegen die Journalisten von Netzpolitik.org ab. Was wäre also zu tun, um die Gegenseite wieder das Fürchten zu lehren? Der Autor schlägt eine größere – aber kritische – Nähe zum politischen Geschehen und zu den Politikern selbst vor. Zugleich betont er, dass zusätzlich zu einem engen Netzwerk an Kontakten gerade das Gespräch eine unersetzliche Informationsquelle sei, um nicht nur relevante Hintergrundinformationen zu erhalten, sondern auch solche über verborgene Machenschaften. Koch gibt hier als Enthüller der Flickspendenaffäre 1981 ein glaubwürdiges Beispiel. Anhand so vielfältiger wie skurriler Anekdoten aus seiner Bonner Zeit versucht er, die Bedeutung des persönlichen Engagements und der Kontaktpflege zu belegen und illustriert damit auch seine Erfahrungen mit dem politischen Betrieb. Ganz nebenbei folgt Koch auch dem (wohl nicht ganz ernst gemeinten) Motto, „die letzten Geheimnisse der Bundesrepublik“ aufdecken zu wollen – dieser selbstgesteckte Anspruch bleibt jedoch uneingelöst. Das Buch ist daher, trotz des reichen journalistischen Erfahrungsschatzes Kochs, vor allem eine unterhaltsame Anekdotensammlung, die jedoch keine neuen Erkenntnisse für den kritischen wie investigativen Journalismus bereithält. In Anbetracht der enormen Herausforderungen heutiger journalistischer Arbeit, die Koch selbst moniert, wäre ihre kritische Betrachtung unter heutigen Vorzeichen wohl interessanter und lehrreicher gewesen.
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Rubrizierung: 2.32.3312.3332.35 Empfohlene Zitierweise: Martin Repohl, Rezension zu: Dirk Koch: Der ambulante Schlachthof oder Wie man Politiker wieder das Fürchten lehrt. Frankfurt a. M.: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39751-der-ambulante-schlachthof-oder-wie-man-politiker-wieder-das-fuerchten-lehrt_48370, veröffentlicht am 09.06.2016. Buch-Nr.: 48370 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken