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Oliver Eberl

Demokratie und Frieden. Kants Friedensschrift in den Kontroversen der Gegenwart

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2008 (Studien der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung 4); 293 S.; brosch., 39,- €; ISBN 978-3-8329-3892-5
Politikwiss. Diss. Bremen; Erstgutachterin: I. Maus. – Den Anspruch seiner Arbeit formuliert Eberl nicht gerade bescheiden: „Ihr Ziel ist die Herausarbeitung der verzerrenden und ideologischen Momente in der Rezeption eines 200 Jahre alten philosophischen Entwurfs, um schließlich selbst diese Schrift noch einmal neu zu interpretieren. [...] Darüber hinaus ist sie ein Beitrag zu den Debatten des Kosmopolitismus, der Theorie des Friedensbundes, der Ideengeschichte der Friedensprojekte der Aufklärung, eine Diskussion aktueller liberaler Theorien und ein Beitrag zur Ideologiekritik in der politischen Wissenschaft.“ (7) Die Arbeit ist vieles von diesem und insofern eine wirklich reife und lesenswerte Dissertation. In ihrer umfassenden Deutung der Friedensschrift Kants kann sie damit durchaus in eine Reihe mit etwa der Werkinterpretation Gerhardts aus dem Jahr 1995 gestellt werden. In seiner Kritik verschiedener Lesarten, die sich u. a. auch auf Arbeiten aus der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung bezieht, weiß Eberl in der Regel spezifische Kontextfaktoren der Entstehung und Formulierung der Kantischen Schrift gegen allzu eilige Vereinnahmungen des Entwurfs zur Beurteilung gegenwärtiger Fragestellungen in Stellung zu bringen. Nicht selten verweist er dabei auf die rechts- und demokratietheoretischen Arbeiten seiner Betreuerin Maus. Während er im ersten Teil der Arbeit „Hochphasen der Rezeption“ (47) um 1800 sowie im Umfeld des Ersten Weltkriegs identifiziert, werden im zweiten Teil – sozusagen entlang der Definitivartikel der Schrift – Theorien des demokratischen Friedens, die liberale Völkerrechtslehre und die Debatten um Bedingungen und Möglichkeiten einer kosmopolitischen Demokratie nachgezeichnet. Teil III bietet dann nach der Schilderung der aktuellen Debatten gleichsam den Versuch der Rückvergewisserung von Kontext und Systematik der Schrift. Kritisiert werden in diesem Durchgang u. a. zu starke Verkürzungen der Schrift bei Protagonisten der Theorie des demokratischen Friedens, schiefe Begründungen für Interventionsansprüche im Namen der liberalen Völkerrechtstheorie und eine damit verbundene, zu starke Zuspitzung des Kantischen Weltbürgerrechts im Sinne einer sanktionsbewehrten Verteidigung der Menschenrechte. Ohne dass man Eberl in all seinen Punkten folgen muss, ist ein Verdienst dieser Arbeit die Sensibilisierung für politisierende und vereinnahmende Lesarten Kants, die diesen nur noch als „Label“ (88) erkennen lassen.
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 5.33 | 4.1 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Oliver Eberl: Demokratie und Frieden. Baden-Baden: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30282-demokratie-und-frieden_35934, veröffentlicht am 20.05.2010. Buch-Nr.: 35934 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken