Das soziale Sicherungssystem im Iran. Sozioökonomische und kulturelle Evolution, Transformation und Evaluation
Diss. Köln; Begutachtung: F. Schulz‑Nieswandt, W. Leidhold. – Die Arbeit kennt zwar keinen Diktaturbegriff, aber indem der Autor das soziale Sicherungssystem analysiert, gelingt es ihm, die Islamische Republik Iran aus wirtschafts‑ und sozialpolitischer Perspektive zu entsakralisieren. Das Sozialversicherungssystem selbst habe bereits vor der islamischen Revolution existiert, schreibt Mohammad Rahimi, und sei durch die Begegnung mit der modernen Welt entstanden. Schon „das erste Parlament von 1907“ (308) habe sich mit Problemen wie Alter, Arbeitsunfähigkeit und Tod beschäftigt. Auch die Pahlavi‑Dynastie habe vom Vorzug einer Sozialversicherung für Beamte gewusst. Damit sei es zugleich um die „Modernisierung des Staatsapparates und die landesweite Verfestigung der Macht des Zentralstaates“ (309) gegangen. Die Revolutionsführung habe dann gegenüber der Sozial‑ und Privatversicherung eine „positive Einstellung“ (207) gehabt, da das Sozialversicherungssystem mit den rechtlichen Grundsätzen des Islam vereinbar sei. Rahimi legt die religiösen Aspekte einer islamischen Sozialpolitik ausführlich dar, die die politische Herrschaft der Islamisten aus islamischer Sicht legitimieren. Dennoch klingt Kritik durch, beispielsweise bei der Untersuchung von Reorganisation und Wiederaufbau des sozialen Sicherungssystems, das eine Form des staatlichen Sozialsystems umfasst. So seien der Bürokratieapparat ineffizient vergrößert und die Staatsausgaben erhöht worden. Zugleich habe die „Strukturreform der sozialen Sicherungssysteme Irans […] ihre Ziele verfehlt“ (350). Die staatlichen Ausgaben für dieses Sozialsystem seien willkürlich. Die Organisation der sozialen Hilfe werde nicht durch ministeriale oder parlamentarische Institutionen kontrolliert. In seinem Fazit schreibt der Autor, dass das existierende schiitische System sozialer Hilfe nicht transparent sei. Der Autor attestiert dem Sozialsystem des islamischen Gottesstaates ein „Ungerechtigkeitsproblem“ (580), das nicht nur zwischen „höheren und niedrigeren Einkommensschichten, sondern auch bei den Durchschnittsrenten“ (581) bestehe.