
Das Politische. Zur Entstehung der Politikwissenschaft während der Weimarer Republik
Dass sich die deutsche Politikwissenschaft fortwährend mit ihrer eigenen Geschichte befasst, ist nicht neu. Dass sie dieses im Rahmen einer Pariser „Groupe de recherche sur la culture de Weimar“ tut, ist allerdings neu und durchaus beachtenswert. So sind an diesem Sammelband deutsche und französische Experten und Nachwuchswissenschaftler beteiligt. Im Einleitungsaufsatz resümiert Manfred Gangl den disziplingeschichtlichen Forschungsstand und stellt die den Titel des Buches begründende Forschungsfrage: „Könnte es nicht sein, dass der aktuell beklagte Funktionsverlust der Politikwissenschaft nicht auf schwindende Studentenzahlen und damit einhergehende Budgetbeschränkungen zurückzuführen ist, […] sondern einen strukturellen Autonomieverlust der Politik anzeigt, dem wissenschaftlich nur durch eine erneute Reflexion auf das Politische zu begegnen wäre. Dann hätte mancher der verschiedenen Ansätze, es während der Weimarer Republik zu erfassen, durchaus wieder aktuelle Bedeutung.“ (18) Die Weite der im Buch behandelten Themen lässt sich dem verlinkten Inhaltsverzeichnis entnehmen, hervorgehoben seien hier nur die Ausführungen von Wolfgang Bialas zu Helmuth Plessner unter dem Titel „Reichweite und Grenzen einer philosophischen Anthropologie des Politischen.“ So vertrat Plessner schon 1931 in „Macht und menschliche Natur“ die Idee einer „wertdemokratischen Gleichstellung aller Kulturen“ (293). Gegen eurozentristische Vorstellungen von Humanität als westlichem Konzept setzte Plessner die anthropologische Neubegründung eines politischen Humanismus, dessen wesentliches Prinzip die „liberale Selbstverpflichtung auf Freiheit“ (306) ist. Das ist ein wichtiges Argument auch in gegenwärtigen Kulturkämpfen. Insofern löst das Buch das, was in der Einleitung versprochen wurde, auch ein.