Der Titel des Buches lässt eine Beschreibung politischer Systeme der Länder Südamerikas erwarten, allerdings ist bereits dem Untertitel zu entnehmen, dass es um mehr als eine rein politikwissenschaftliche Darstellungsweise geht. Die Beiträge sind deshalb auch nicht länderspezifisch organisiert, sondern behandeln umfassende Themengebiete wie Sozialstruktur, Wirtschaft, indigene Völker, Umwelt oder Alltagskultur. Der Anspruch der Herausgeber besteht darin, nicht nur die einzelnen Länder in ihrer Gänze zu analysieren und unzusammenhängend nebeneinander zu stellen. Vielmehr geht es ihnen darum, trotz der Vielfalt die Gemeinsamkeiten der Staaten Südamerikas herauszustellen. Ein Beitrag zur Geschichte verfolgt beispielsweise ähnliche Tendenzen staatlicher Entwicklung seit der Unabhängigkeit, um die wirtschaftspolitische Ausrichtung und die momentanen politischen Umbrüche vor dem Hintergrund historischer Pfadabhängigkeit zu erklären. Zu den Hypotheken der kolonialen Vergangenheit gehören in fast allen Ländern bis heute die ungleiche materielle Teilhabe und die mangelnde Verteilungsgerechtigkeit. Darauf aufbauend wird in einem anderen Artikel nach den Konstanten lateinamerikanischer Politik gefragt, in einem weiteren werden die Trends der Demokratieentwicklung herausgearbeitet. Auffällig ist, dass soziale und politische Konfliktlinien trotz der Etablierung demokratischer Strukturen weiterhin virulent sind. Nach diesen Analysen lassen sich die politischen Emanzipationsbestrebungen indigener Bewegungen oder der hohe Grad an gesellschaftlicher Gewalt besser verstehen. Zur Verwirklichung einer sozialen Demokratie, die neben politischer Partizipation die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen garantieren soll, setzen auch eher linksgerichtete Regierungen auf eine ressourcenbasierte Wachstumsstrategie und den Primärgüterexport, sodass wenig Raum für eine nachhaltige Entwicklung und den Umweltschutz bleibt. Unterm Strich gelingt es dem Band, der sich hervorragend als Material für die politische Bildung in Schulen und Universitäten eignet, die politischen Herausforderungen Südamerikas zu identifizieren und Lösungsansätze aufzuzeigen. Die mit Lateinamerika vertrauten Leserinnen und Leser werden zudem zahlreiche namhafte Experten der deutschen Lateinamerikaforschung wieder treffen.