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Ayhan Bilgin

Das Militär in der politischen Kultur der Türkei. Vom Osmanischen Reich bis heute

Online-Publikation 2012 (http://edok01.tib.uni-hannover.de/edoks/e01dh12/685358429.pdf); 401 S.
Diss. Hannover; Begutachtung: H. Geiling, G. Çağlar. – Bilgin widmet sich dem „Verhältnis von militärischer Einflussnahme und politischer Kultur in der türkischen Gesellschaft“ (7). Ihn interessieren vor allem zwei Fragen: „Welche politisch-kulturellen Deutungs- und Sinnmuster werden vom Militär produziert und vermittelt? Welche Wirkungen haben diese in der Gestaltung der politischen Kultur der Türkei entfaltet?“ (9) Um diese Fragen zu beantworten, verbindet der Autor zwei Ansätze: Zum einen nutzt Bilgin die politische Kulturforschung (hier vor allem Karl Rohes Verständnis), um Vorstellungen und Deutungen über die Rolle des türkischen Militärs in den politisch-kulturellen Diskursen und Praktiken im historischen Zeitverlauf aufzuspüren; zum anderen zieht Bilgin die auf Foucault beruhende Diskurs- und Machtanalyse heran, um den Einfluss und die Wirksamkeit des Militärs im politischen Raum analysieren zu können. Mit dieser bereits von Schwab-Trapp entwickelten Verknüpfung möchte Bilgin den Schwächen der auf Systemstabilität und Strukturfunktionalismus basierenden Civic-Culture-Ansätze entgehen. In seinen theoretischen Ausführungen in Kapitel 2 legt er einen macht- und konfliktorientierten Politikbegriff zugrunde, der sich auf die Produktion und Durchsetzung politischen Sinns in den deutungs- und soziokulturellen Feldern bezieht. Somit versteht der Autor Handeln als politischen Kampf, um eine legitime Sicht der sozialen und politischen Welt zu erzeugen und durchzusetzen. Sodann verortet Bilgin in Kapitel 3 das türkische Militär innerhalb seines theoretischen Rahmens und identifiziert es als einen „deutungskulturelle[n] Akteur im staatlich-politischen Feld“ (49). Anschließend analysiert der Verfasser das historische Material und erläutert den Wandel der militärischen Diskurse und Praktiken sowie ihre Wirkung auf die türkische Gesellschaft anhand von zeitlichen Zäsuren. Anders als vielleicht zu erwarten wäre, beginnt der Autor nicht mit der türkischen Staatsgründung 1923, sondern im 14. Jahrhundert – also zu Zeiten des Osmanischen Reiches. Für die letzten Jahre arbeitet Bilgin dann heraus, dass der (auch in Schulen vermittelte) Diskurs u. a. von einem Streben nach nationaler Einheit und Gemeinsamkeit bestimmt wird und das Militär zur Erreichung dieses Ziels als ein legitimer Akteur gilt.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.63 | 2.21 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Ayhan Bilgin: Das Militär in der politischen Kultur der Türkei. 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35444-das-militaer-in-der-politischen-kultur-der-tuerkei_42726, veröffentlicht am 06.09.2012. Buch-Nr.: 42726 Rezension drucken