Skip to main content
Andreas Pesch

Das islamische Kopftuch als Gegenstand der Religionspolitik in Frankreich. Ein Deutungsstreit, seine Akteure, Bedingungen und Folgen

Online-Publikation 2011 (http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/11841/1/Pesch_Das_Kopftuch_als_Gegenstand_der_Religionspolitik_in_Frankreich.pdf); XI, 684 S.
Philosoph. Diss. Heidelberg; Begutachtung: G. Ahn und A. Liedhegener. – Das Verbot des Tragens und Zeigens religiöser Zeichen in Frankreichs Schulen im Jahre 2004 steht im Mittelpunkt der Analyse. Es wird als ein Fallbeispiel verstanden, mit dem ein theoretischer Beitrag sowohl zur Religionswissenschaft als auch zur Politikwissenschaft geleistet werden soll. Aus beiden Fächern werden hierzu konzeptionelle Ansätze kombiniert. Konkret handelt es sich um eine Policy‑Analyse, in der Pesch untersucht, wie die Verbotsentscheidung zustande kam. Zur Beantwortung wird sehr umfassend ausgeholt, was die über 600 Seiten dieser Dissertation erklärt. Es erfolgt eine Untersuchung des politischen Prozesses, der handelnden Akteure, der widerstreitenden Interpretationen von Religion und Kopftuch, der Handlungsbedingungen sowie des europäischen Rechtskontextes mit dem Versuch, diese jeweiligen Faktoren auch in die geschichtliche Tradition Frankreichs einzubetten. Das Ergebnis der anspruchsvollen Untersuchung besteht darin, dass das Verbot des Kopftuches von drei relevanten Faktoren bedingt war, die es nach Ansicht des Autors in religionspolitischen Untersuchungen von nun ab immer zu berücksichtigen gilt. Hierzu gehören die politischen Institutionen, die den politischen Prozess prägten, gleichzeitig jedoch auch einen gewissen Spielraum für die Akteure offen ließen, wodurch sie eine Wandlung durchlaufen konnten. Zentral seien zudem für das Kopftuchverbot die Akteurskonstellationen gewesen. Diese bestimmten gewisse Deutungsmöglichkeiten, die sich auf historische Traditionsstränge des Laizitätsprinzips beriefen. Dass sich am Ende eine restriktive Deutung des Laizitätsprinzips durchsetzte, hat nach Ansicht des Autors jedoch entscheidend mit der Rechtsprechung des Europäischen Menschengerichtshofes zu tun, die die Befürworter einer antiklerikalen‑laizitischen Deutung stärkte. Letztlich haben die externen Einflüsse der religionsrechtlichen Europäisierung also zu dem Verbot geführt. Dieses nimmt für den Autor einen besonderen Stellenwert ein, denn es bedeute die „erstmalige Institutionalisierung eines Deutungskomplexes, der in antiklerikal‑laizistischen und unitaristischen Traditionen steht und das Prinzip der Laizität als Religionslosigkeit des öffentlichen Raumes konzipiert“ (631 f.). Der Autor sieht hierin eine Neuausrichtung des französischen Religionsrechts, „der tendenziell negativ konnotierte Bedeutungsaspekte des Begriffs der Religion zugrunde liegen, die eine restriktive Auslegung von Religionsfreiheit und Laizität zur Folge haben können“ (632).
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.61 | 2.22 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Andreas Pesch: Das islamische Kopftuch als Gegenstand der Religionspolitik in Frankreich. 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34722-das-islamische-kopftuch-als-gegenstand-der-religionspolitik-in-frankreich_41735, veröffentlicht am 19.04.2012. Buch-Nr.: 41735 Rezension drucken