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Roger Willemsen

Das Hohe Haus. Ein Jahr im Parlament

Frankfurt a. M.: S. Fischer 2014; 398 S.; 19,99 €; ISBN 978-3-10-092109-3
Ein Jahr lang hat Roger Willemsen – Buchautor, Kolumnist, Essayist – dem Plenum des Deutschen Bundestages bei der Arbeit zugesehen. Zustande gekommen ist eine detail‑ und aufschlussreiche Dokumentation, der die sprachliche Beschlagenheit des Autors ihr – stilistisches wie inhaltliches – Gepräge gibt. Ihm habe „eine Panorama‑Ansicht der parlamentarischen Geschichte eines Jahres“ (396) vorgeschwebt. Das ist allerdings schon deshalb nicht möglich, da Willemsen immer nur auf der Besuchertribüne des Plenarsaals Platz nahm. Ausschuss‑ und Arbeitsgruppensitzungen, informelle Treffen und Kontakte außerhalb der Reichstagskuppel – mithin nicht weniger zentrale Stätten parlamentarischen Wirkens als die Plenardebatte – fallen darum komplett herunter. Die Beobachtungen sind indes nicht weniger aufschlussreich: Jede Plenarsitzung wird tagebuchartig ausgewertet und – jeweils zu Beginn – in den Verlauf der Geschehnisse des Wahljahres 2013 eingeordnet. Historische und architektonische Exkurse – etwa zu der Inschrift „Dem deutschen Volke“ (161 f.) – sind immer wieder eingestreut, ein einleitendes oder zusammenfassendes, synoptisches Kapitel fehlt jedoch. Neben der einen oder anderen Episode, die eines Loriots nicht unwürdig gewesen wäre – etwa „Als Sozialdemokratie sagen wir, dass Ernährung ein elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge ist.“ (27) –, gewinnt, gleichsam als zentrales Motiv, das von vielen Parlamentarismusforschern beklagte Kommunikations‑ und Darstellungsdefizit des Bundestages Gestalt: „Kein Widerspruch, der nicht beiseitegewischt werden könnte, kein Zwist, der nicht unter Umständen Scheingefecht sein oder schlicht übergangen werden könnte.“ (193) Dass Willemsen keine wissenschaftliche Analyse vorgelegt hat, beweisen nicht nur seine eindeutigen politischen Stellungnahmen – etwa zu den in der Plenardebatten erörterten Themen Armut und Waffenexporte –, sondern auch Irrtümer, die sich jenseits der Politikwissenschaft hartnäckig halten – etwa die Rede vom „Fraktionszwang“ (108). Das tut der Dieter Hildebrandt gewidmeten Dokumentation allerdings keinen Abbruch, bezeugt es doch, wie schwer das beklagte Kommunikationsdefizit des Bundestages wiegt.
Tom Mannewitz (MAN)
Dr., Politikwissenschaftler, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Chemnitz.
Rubrizierung: 2.321 Empfohlene Zitierweise: Tom Mannewitz, Rezension zu: Roger Willemsen: Das Hohe Haus. Frankfurt a. M.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37043-das-hohe-haus_45508, veröffentlicht am 12.06.2014. Buch-Nr.: 45508 Rezension drucken