Skip to main content
Stéphane Courtois (Hrsg.)

Das Handbuch des Kommunismus. Geschichte – Ideen – Köpfe. Aus dem Französischen von Enrico Heinemann, Ulla Held und Stephanie Singh

München/Zürich: Piper 2010; 846 S.; geb. 49,95 €; ISBN 978-3-492-05260-3
Dem umfangreichen Glossar, an dem über zwanzig Autoren mitgewirkt haben, sind zwei Beiträge vorangestellt: Courtois, der bereits das zweibändige „Schwarzbuch des Kommunismus“ herausgegeben hat, erläutert in „Kurze Geschichte des Kommunismus“ dessen Genese und Entwicklung zur totalitären Diktatur. Dabei geht es nur um die konkrete Herrschaft und ihre gewaltsame Durchsetzung. Die zentrale Feststellung lautet, dass „der Terror als legitimes und normales Instrument der Regierung eingesetzt“ (36) wurde. In einem zweiten Beitrag schreiben Klaus Schroeder und Jochen Staadt über den „Kommunismus in Deutschland“, wobei sie die chronologische Entwicklung nach 1945 in einem ersten Schritt nicht mit der DDR weiterführen, sondern mit der KPD, den K-Gruppen und der RAF in der Bundesrepublik – und deren Unterstützung durch die SED sowie dem Untergang 1989. Diese Linie mündet, nach einer Betrachtung des Kommunismus in der DDR, bei den linksextremen Autonomen, die sich immer noch jedes Jahr pünktlich zum ersten Mai in Hamburg und Berlin Straßenschlachten mit der Polizei liefern. Sowohl Schroeder und Staadt als auch Courtois verdeutlichen dadurch, dass sie sich auf die belegbaren Geschehnisse konzentrieren, wie politisch bedeutungslos die ideologischen Ansprüche waren – welche Rolle spielt die Forderung nach Gleichheit und Brüderlichkeit, wenn in ihrem Namen Gewalt ausgeübt und Menschen getötet werden? Und so findet sich im Glossar zwar auch ein Beitrag zur Utopie. Nach der Lektüre bleibt aber weniger die Idee von einer anderen Gesellschaft haften als etwa die Beschreibung der Rettungsarbeiten am havarierten Atomreaktor in Tschernobyl. Mehrere tausend Reservisten wurden, in einem der letzten großen Verbrechen der sowjetischen Diktatur, als „biologische Roboter“ (757) eingesetzt, um die Ummantelung des Reaktorblocks vorzubereiten. Dies wäre unnötig gewesen, hätte man den benachbarten Block ebenso ummantelt – aber er hätte dann nicht mehr in Betrieb genommen werden können, was einen wirtschaftlichen Verlust bedeutet hätte. Lenins Diktum vom „Kommunismus gleich Sowjetmacht plus Elektrifizierung“ galt bis zum bitteren Ende.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.1 | 2.22 | 2.25 | 2.31 | 2.6 | 4.1 | 5.43 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Stéphane Courtois (Hrsg.): Das Handbuch des Kommunismus. München/Zürich: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32193-das-handbuch-des-kommunismus_38400, veröffentlicht am 04.05.2010. Buch-Nr.: 38400 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken