Ilir Kalemaj geht am Beispiel Albaniens einer für die internationale Politik ebenso spannenden wie grundlegenden Frage nach: „Warum verändern sich nationalstaatliche Grenzen und wieso werden sie innerhalb eines Staates anders wahrgenommen, als von außerhalb?“ (XVII) Der damit aufgespannte Kontext umfasst Fragen der Konstruktion nationaler Identität – von den entscheidenden Akteuren zu den verwendeten Techniken – bis hin zum Problem der Verständigung respektive des Austrags territorialer Streitigkeiten. Die Vorstellung eines Großalbaniens, die Kalemaj als ein machtpolitisch motiviertes Elitenprojekt begreift, wird im Hauptteil des Buches als historisch gewordenes Bild rekonstruiert. Die umfängliche Rekonstruktion, die auf Basis der Auswertung von Sekundärliteratur historische Prozesse darstellt, reicht vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Gemäß des von Kalemaj formulierten Anspruches, eine exemplarische Studie mit einer über den Einzelfall hinausreichenden analytischen Aussagekraft zu formulieren, entfalten die Ergebnisse eine allgemeinere Relevanz. Er habe, so heißt es in einem kursorischen Ausblick auf die Befunde, eine enge Beziehung zwischen den Entwürfen der politischen Elite für Phasen der nationalen Expansion und Kontraktion gefunden. Diese stünden zudem in Abhängigkeit von den jeweiligen geopolitischen Bedingungen. „Mit anderen Worten, Eliten, die Grenzen herstellen, sind ein zentraler Faktor im Rahmen der Entscheidung über die Verortung einer Nation“ (28). Externe Faktoren, wie etwa militärische Interventionen in ein bestehendes Staatsgebiet hinein, trügen ebenso zum Diskurs über die Vorstellung der Nation bei. Dabei müsse unterschieden werden, dass diese Interventionen den Diskurs über das nationale Selbstbild, wie er durch die herrschenden Eliten entworfen werde, sowohl unterstützen als auch unterminieren könnten.