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Eric Schlosser

Command and Control. Die Atomwaffenarsenale der USA und die Illusion der Sicherheit. Eine wahre Geschichte. Aus dem Englischen von Sven Scheer und Rita Seuß

München: C. H. Beck 2013; 598 S.; geb., 19,99 €; ISBN 978-3-406-65595-1
Eric Schlosser eröffnet Einblicke in ein weitgehend unbeachtetes Kapitel des Ost‑West‑Konfliktes. Mit dessen Ende seien in der westlichen Öffentlichkeit die Gefahren nuklearer Waffensysteme in Vergessenheit geraten. Lediglich die potenzielle Gefahr, die von unkontrolliertem Nuklearmaterial in falschen Händen ausgehe, sei vereinzelt thematisiert und spaltbares Material gesichert worden, auch seien beispielsweise in der Ukraine oder Russland die umfassenden Arsenale der Sowjetunion kontrolliert reduziert worden. Über die westlichen Nukleararsenale sei wenig berichtet worden – offenbar habe ein weit verbreitetes Vertrauen in die Fähigkeiten westlicher Nuklearmächte geherrscht, die zerstörerischen Systeme adäquat sichern zu können. Schlosser weist nun darauf hin, dass dieses Vertrauen bestenfalls naiv war. Er legt einen detaillierten und dicht erzählten Band vor, in dem die Beteiligten an verschiedenen Unfällen in Depots und Silos von Atomraketen im Mittelpunkt stehen. Sie sind eingebunden in Befehlsketten und Sicherheitsroutinen, die ihre Handlungsmöglichkeiten zum Teil vorstrukturieren, sie aber in hohem Maße vorherbestimmen. Denn die Sicherheitsvorkehrungen bestehen aus Vorschriften, die für alle denkbaren Zwischen‑ und Unfälle Reaktionen vorsehen – dummerweise sind aber auch Probleme aufgetreten, die nicht vorherbedacht waren. Insofern sind die hier – teilweise etwas sensationsheischend übersetzt – beschriebenen Zwischenfälle und Beinahekatastrophen auch nah an einem Narrativ des einzelnen Helden, der mutig den Rest der Menschheit vor Schlimmerem bewahrt. Gleichzeitig legt diese Erzählweise offen, wie wenig sich solch gefährliche Waffen systematisch sichern lassen, und sie legt auch nahe, dass es gute Gründe gibt, solche Systeme angesichts potenzieller unabsichtlicher Schäden gar nicht erst besitzen zu wollen. Stattdessen wurden über viele Jahre Untersuchungsberichte vertuscht, um die Bilanz einer Abwägung des strategischen Nutzens gegenüber den nicht sicherheitspolitischen Risiken vorteilhaft erscheinen zu lassen. Schlosser hat ein zentrales Werk zur Revision gängiger Deutungen der Nuklearrüstung vorgelegt.
Florian Peter Kühn (KÜ)
Dr., M. P. S., wiss. Mitarbeiter, Institut für Internationale Politik, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg.
Rubrizierung: 2.644.224.41 Empfohlene Zitierweise: Florian Peter Kühn, Rezension zu: Eric Schlosser: Command and Control. München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36815-command-and-control_44660, veröffentlicht am 06.03.2014. Buch-Nr.: 44660 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken