Skip to main content
Loretta Napoleoni

China – der bessere Kapitalismus. Was der Westen vom Reich der Mitte lernen kann. Aus dem Englischen übersetzt von Karin Miedler und Hans Freundl

Zürich: Orell Füssli Verlag AG 2011; 320 S.; geb., 19,95 €; ISBN 978-3-280-05457-4
„Wenn ich heute Ägypter wäre, welches Wirtschaftsmodell würde ich übernehmen wollen, das westliche oder das asiatische?“ (9) Der Journalistin Napoleoni fällt diese Antwort leicht, natürlich das asiatische – wobei sie mit asiatisch wohl genauer chinesisch meint. Allerdings vergisst sie, die ökonomischen Unterschiede zwischen den Staaten im Westen, die auf eine lange kapitalistische Tradition zurückblicken, und China, das unter den Vorzeichen der neoliberalen Globalisierung im Eiltempo diese Wirtschaftsform kopiert, zu benennen. Aber mit differenzierten Betrachtungen hält sie sich ohnehin in dieser allenfalls populärwissenschaftlichen Polemik nicht auf. Die Stoßrichtung wird schnell deutlich, Napoleoni bewundert das Streben Chinas in Richtung Moderne und Wohlstand. „Um dieses langfristige Ziel zu erreichen, nahm Deng Xiaoping große Opfer in Kauf wie beispielsweise die Niederschlagung der Studenten- und Arbeiterproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens.“ (13) So zynisch geht es auch weiter. „Im kommunistischen Block fehlten weniger Wahlurnen, sondern vor allem das Gewinnstreben“ (19), nur China habe das verstanden. Unter diesen Vorzeichen sind dann auch die menschenunwürdigen frühkapitalistischen Zustände in chinesischen Fabriken in Ordnung: „Die chinesischen Arbeiter wissen so gut wie die Politiker, dass die ausländischen Industriellen [sic!] die lokalen Arbeitskräfte ausbeuten, aber sie wissen auch, dass das in erster Linie ein notweniger und unvermeidlicher Schritt ist, wenn China modernisiert werden soll.“ (41 f.) Die Argumentation bleibt verdreht, westliche Politiker werden gescholten und die Korruption in Europa gegeißelt, die in China verniedlicht. An Osama bin Laden wird „als moderner Attila“ (181) gedacht und dann doch noch die Frage gestellt: „Wer regiert eigentlich China?“ (287) Offenbar wird es von einem Millionenheer Beamter und KP-Mitglieder gesteuert; Regierung und Regierte sprechen „gleichermaßen offen und furchtlos“ (289) über politische Prozesse. Daher müssten wir, wollen wir unsere Demokratie retten, „in den Osten blicken“, auf „die Menschen, die noch darum kämpfen“ (310) – womit die Betrachtung von wirtschaftlichen und politischen Systemen endgültig durcheinander geraten ist. Napoleoni wollte „aus Sicht der Chinesen einen kritischen Blick auf unseren Kapitalismus und unsere Demokratie werfen“ (309) – eine Anmaßung ohne ernst zu nehmende Ergebnisse.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.68 | 2.22 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Loretta Napoleoni: China – der bessere Kapitalismus. Zürich: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35047-china--der-bessere-kapitalismus_42181, veröffentlicht am 30.08.2012. Buch-Nr.: 42181 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken