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Bürgerhaushalte als innovatives Beteiligungselement? Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

16.08.2018
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Anke Rösener, Diplom-Politologin

 porto alegreDie Idee des Bürgerhaushalts stammt aus Porto Alegre. Anders als in Deutschland ist dort die Beteiligungsquote deutlich höher und es werden auch benachteiligte Bevölkerungsgruppen mobilisiert. – Veranstaltung im Rahmen des Orçamento participativo 2010, Foto: Не знам via Wikimedia Commons

 

In den 1990er-Jahren setzte im Kontext von New Public Management und Neuem Steuerungsmodell auf der kommunalen Ebene eine Welle der Bürgerbeteiligung ein. Neben Zukunftswerkstätten, Planungszellen und Ähnlichem gehörte auch der Bürgerhaushalt zu einer vielversprechenden, legitimationsstiftenden Reformoption, denn die Haushaltspolitik ist ein zentraler Bereich, der nahezu alle Politikfelder einer Kommune tangiert und bei der unterschiedliche Interessen vorgebracht und wichtige Weichenstellungen gesetzt werden. Die Partizipation der Bürger*innen an diesem Prozess sollte dazu beitragen, gerade in Zeiten desolater Finanzlagen einen gesamtstädtischen Konsens über Prioritätensetzungen für Ausgaben und Einsparungen zu erzielen. Die in dieser Zusammenstellung aufgeführten Studien und in Kurzrezensionen vorgestellten Bücher geben einen Einblick in die Rahmenbedingungen und Erfahrungen mit diesem Instrument. Anhand von Fallbeispielen aus Deutschland, Europa und Lateinamerika werden Chancen und Hindernisse der Umsetzung erörtert. Die Einschätzungen fallen gemischt aus. Einige Studien weisen dem Bürgerhaushalt das Potenzial für soziale Gerechtigkeit zu, während andere auf die sozial unausgewogene Zusammensetzung der Beteiligten verweisen und kritisieren, dass privilegierte Bevölkerungsgruppen ihren Einfluss maximieren.

Die Beiträge sind chronologisch absteigend sortiert.

 


Serge Embacher
Soziale Ungleichheit – Bürgerhaushalte als Spiegelbild gesellschaftlicher Strukturen
buergerhaushalt.org, 12. März 2018

„Bürgerhaushalte enthalten ein demokratisches Versprechen, das dem Grundgedanken der Partizipation entspringt. Sie eröffnen eine umfassende Beteiligungsperspektive, die jedoch nicht zuletzt aufgrund der sozialen Ungleichheit in der Gesellschaft bislang nicht ansatzweise ausgeschöpft wurde. Wie lässt sich das verstehen?“ (Abstract)



Neunecker, Martina
Partizipation trifft Repräsentation. Die Wirkungen konsultativer Bürgerbeteiligung auf politische Entscheidungen
VS Verlag für Sozialwissenschaften 2016

„Martina Neunecker betrachtet in Ihrer Studie die Rolle konsultativer Verfahren der Bürgerbeteiligung. Den vielfältigen Ursachen dafür, warum diese nur in einzelnen Fällen substanziell die Entscheidungen kommunaler Parlamente beeinflussen, geht sie erstmals anhand eines vergleichenden, systematischen und theoretisch fundierten Ansatzes nach. Am Beispiel des Verfahrens ‚Bürgerhaushalt‘ in 13 deutschen Kommunen untersucht die Autorin, inwiefern etwa die Entscheidungsmotive der gewählten Repräsentanten oder der Kontext des Verfahrens dazu führen, dass Instrumente repräsentativer und partizipativer Demokratie häufig unvereinbar erscheinen.“ (Verlagsinformationen)



Brigitte Geißel et al.
Abschlussbericht zum DFG-Projekt „Ergebnisse dialogorientiert-partizipativer Verfahren. Metaanalytische Pilotstudie zu bundesrepublikanischen Bürgerhaushalten und Lokale-Agenda-21-Prozessen“

Mit dem am Institut für Politikwissenschaft der Goethe Universität unter Leitung von Prof. Dr. Brigitte Geißel durchgeführten Projekt (Laufzeit Oktober 2014 bis September 2016) wurde ein zweifaches Ziel verfolgt: „Erstens soll eine systematische Bestandsaufnahme von Befunden zu bundesrepublikanischen dialogorientierten, partizipativen Verfahren begonnen werden (inhaltlich). Zweitens will das Projekt testen, ob Metaanalysen in einem Feld möglich und lohnenswert sind, in welchem qualitative Primärstudien überwiegen (methodologisch). […]. Das Pilotprojekt ist das erste Projekt, das eine vergleichende Bewertung dialogorientiert-partizipativer Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland vornimmt und dabei die Beziehung von Kontext, Akteure, Verfahren und Ergebnissen systematisch ermittelt.“ (Website DFG-Projekt: Metaanalyse diskursiver Verfahren)



Philipp Sternard
Erfolgsfaktoren von Bürgerhaushalten. Welche Faktoren begünstigen oder hemmen den Erfolg eines Bürgerhaushalts? Eine vergleichende Analyse in sechs deutschen Kommunen
GRIN Verlag 2015

In seiner Masterarbeit vergleicht der Autor sechs deutsche Kommunen und fragt dabei, welche Faktoren den Erfolg eines Bürgerhaushalts befördern können.



Bundeszentrale für politische Bildung / Servicestelle Kommunen in der Einen Welt
8. Statusbericht Bürgerhaushalte in Deutschland von 2015

Die Statusberichte bieten einen detaillierten Überblick über die aktuelle Landschaft der Bürgerhaushalte in Deutschland. Sie geben Auskunft darüber gibt, in welchen Kommunen ein Bürgerhaushalt diskutiert, beschlossen, eingeführt, fortgesetzt oder abgeschafft wurde. Gegenüber dem Bericht aus dem Jahr 2014 ist demnach die Zahl der Kommunen gestiegen, die über die Einführung eines Bürgerhaushaltes diskutieren.



Brigitte Geißel / Alma Kolleck / Martina Neunecker
Projektbericht „Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des Frankfurter Bürgerhaushaltes 2013“

Die im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main am Institut für Politikwissenschaft der Goethe Universität unter Leitung von Prof. Dr. Brigitte Geißel vorgenommene Evaluation bezieht sich auf den ersten Frankfurter Bürgerhaushalt, der vom Herbst 2011 bis zum Frühjahr 2012 für das Haushaltsjahr 2013 durchgeführt wurde. Mit diesem werden die Ergebnisse der verschiedenen Erhebungen präsentiert. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit die mit dem Bürgerhaushalt verbundenen Ziele erreicht wurden und wie dies aus den teils widerstreitenden Perspektive von Politik, Verwaltung, Bürger*innen, Teilnehmer*innen und Medien bewertet wird. Weitere Informationen finden sich auf der Projektwebsite.



Marcel Solar
Bürgerhaushalte und kommunale Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland
buergerhaushalt.org (Bürgerhaushalte in der Wissenschaft), 18. Dezember 2012

Der Autor nimmt eine allgemeine Einordnung und Charakterisierung des Bürgerhaushaltes innerhalb der verschiedenen Elemente der Bürgerbeteiligung sowie der repräsentativen kommunalen Strukturen vor.



Kai Masser
Bürgerhaushalte aus Sicht der Kritiker
buergerhaushalt.org (Der Bürgerhaushalt in der Diskussion), 18. Dezember 2012

Kai Masser trägt die wichtigsten Kritikpunkte zusammen und resümiert insgesamt eher ernüchternde Erfahrungen aus der ersten Welle der Bürgerhaushalte. Inwieweit die Anfang dieser Dekade mit dem Web 2.0 eingesetzte „Renaissance“ dazu führe, dass sich der Bürgerhaushalt zu einem festen Bestandteil der kommunalen Bürgerbeteiligung entwickle, bleibe abzuwarten.



Volker Vorwerk (Hrsg.)
Bürgerhaushalt und Gender Budgeting – (wie) geht das zusammen?
Dokumentation eines Symposiums vom 5. Juni 2009 in Köln, herausgegeben im Auftrag der Stadt Köln

Prozesse des Gender Budgeting – ein verwaltungsinterner Ansatz zur geschlechtersensiblen Aufstellung des Haushaltsplans – und Bürgerhaushalte werden zumeist in getrennten Arenen durchgeführt. Auf diesem Symposium wurden mit Blick auf unterschiedliche Erfahrungen in Köln, Berlin, Freiburg und Österreich Möglichkeiten zum Aufbau und Ablauf geschlechtersensibler Beteiligungshalte erörtert.



Carsten Herzberg
Bürgerhaushalt in Großstädten. Arbeitsmaterialien für die Umsetzung
Dokumentation und Auswertung der Ergebnisse des Workshop „Bürgerhaushalt für Berliner Bezirke: Lesbar, verständlich, für und mit Bürgern/innen“
Bundeszentrale für politische Bildung 2005

Hintergrund dieser Dokumentation ist ein gemeinsam von den politischen Stiftungen getragenes Modellprojekt aus dem Jahr 2003, um in Berliner Bezirken die Einführung von Bürgerhaushalten zu fördern.


Aus der Annotierten Bibliografie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Rezension

Das Thema Bürgerbeteiligung erfährt seit den 1990er-Jahren einen Aufschwung, den Angelika Vetter und Uwe Remer-Bollow zum Anlass für eine grundsätzliche Einführung in die Thematik Beteiligung und Demokratie nehmen. Sie gehen dabei von einer sehr weiten Begriffsdefinition aus, sodass auch Phänomene wie beispielsweise das Urban Gardening als eine Form der Bürgerbeteiligung angesehen werden. Theoretische Grundlagen werden mit empirischen Erkenntnissen verknüpft sowie die vielfältigen Formen von Beteiligung und Partizipation systematisch dargestellt und im gesellschaftlichen Kontext analysiert.
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