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Wolfgang Hingst

Brandstiftung in Europa!! Der "Bruderkrieg" in der Ukraine. Essays und Notizen. April 2014 bis Februar 2015. Mit einem kurzen historischen Abriss

Berlin: trafo Wissenschaftsverlag 2015; 189 S.; 15,80 €; ISBN 978-3-86465-068-0
Wolfgang Hingst, Historiker und Journalist, hat sich Gedanken und Notizen zu dem Konflikt in der Ukraine gemacht. Seinen Band versteht er, wie die beiden Ausrufungszeichen im Titel es erahnen lassen, als Plädoyer für den Frieden, ohne die Welt dabei „in Schwarz und Weiß [...], in Böse und Gute“ (11) einteilen zu wollen. Entsprechend diesem Selbstverständnis erweisen sich die Texte als durchaus meinungsstark, etwa dann, wenn er die Amtsenthebung von Wiktor Janukowitsch im Februar 2014 als „gewaltsamen Machtwechsel“ und noch dazu als „Putsch“ (28) bezeichnet. Bei dieser Einschätzung weiß er etwa Gabriele Krone‑Schmalz auf seiner Seite. Die EU, die den Machtwechsel in Kiew anerkannt habe, sehe das anders. Und so stellt sich schnell die Frage, woran es liegen mag, dass die internationale Politik, die im Ukraine‑Konflikt eine weitere unrühmliche Bühne gefunden hat, offenbar nicht anders kann, als in einem egoistischen Nullsummenspiel ihre Kräfte gegeneinander abzunutzen. Liegt das an der unbedachten „Expansionspolitik der EU nach Süd‑ und Osteuropa“ (63), an der „Arroganz der Politiker in den USA“ (64) oder an ganz anderen Kräften: an den „globalen Investoren, Anlegern und Spekulanten [, die] im Augenblick einen Krieg provozieren wollen, um ihren Profit noch weiter zu mehren“ (65)? Hingst, der nicht „lediglich Beobachter“ (170) sein will, ist sich sicher, dass der gegenwärtige Bürgerkrieg in der Ukraine sich ohne Weiteres auch nach Europa ausdehnen könne, wenn nicht rechtzeitig adäquate friedenspolitische Maßnahmen ergriffen würden. In einer konzeptionellen Allianz, die die Position von Papst Franziskus ebenso umfasse wie diejenigen Oskar Lafontaines und Eugen Drewermanns, müsse eine tragfähige Friedenspolitik insbesondere die expansiven Tendenzen der NATO begrenzen. Würde die Ukraine als neutraler Staat zwischen den Blöcken – USA/EU auf der einen und Russland auf der anderen Seite – etabliert, dann sei schon viel gewonnen. Jedoch sei angesichts des rein expansionistischen Strebens der USA, die auch Deutschland nicht als Partner, sondern lediglich als „riesigen Flugzeugträger“ (179) betrachteten, derlei kaum zu erwarten. Es sind diese pauschal anti‑amerikanischen Aussagen, die die sonstige Differenziertheit sowie die feinen Zwischentöne, die Hingst durchaus auch zu treffen vermag, immer wieder überdecken.
{LEM}
Rubrizierung: 4.412.612.624.33.6 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Wolfgang Hingst: Brandstiftung in Europa!! Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38957-brandstiftung-in-europa_47450, veröffentlicht am 08.10.2015. Buch-Nr.: 47450 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken