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Jan Philipp Sternberg

Auswanderungsland Bundesrepublik. Denkmuster und Debatten in Politik und Medien 1945-2010

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2012 (Studien zur historischen Migrationsforschung 26); 253 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-506-77109-4
Geschichtswiss. Diss. Osnabrück; Begutachtung: J. Oltmer, K. J. Bade. – „Anliegen dieser Arbeit ist es, die Wahrnehmung der migratorischen Realität in der Nachkriegszeit in den Mittelpunkt zu rücken, nach Denkmustern im politischen wie medialen Umgang mit Auswanderung zu suchen und nach dem Einfluss dieser Denkmuster auf die Vorstellungen der Bundesrepublik in diesem Politikfeld zu fragen.“ (13) Damit beschäftigt sich Sternberg mit einem überaus spannenden und für die Bundesrepublik wichtigen Thema, rückt aber nicht – wie es in der bisherigen Forschung oftmals getan wurde – die eigentlichen Wanderungsströme und die Motive der Migranten in den Fokus. Sternberg geht es stattdessen um die öffentliche Wahrnehmung der Wanderung, die er mithilfe von Debatten und ihrer medialen Darstellung fasst. Somit fokussiert er vor allem die Prozesse und Vorgänge innerhalb der Politik und der Medien – also das Reden über Auswanderung – und legt hier die von ihm explizit gemachte Annahme zugrunde, dass dadurch Rückschlüsse auf das Selbstverständnis und die innenpolitische Verfasstheit gezogen werden können. Anders als der Untertitel es vermuten lassen könnte, interessieren Sternberg vor allem die ersten fünfzehn Jahre nach dem Krieg, in denen Deutschland überwiegend ein Auswanderungsland war. In seinem fünften Kapitel widmet er sich darüber hinaus den 1960er-Jahren, in denen sich der Wechsel vom Aus- zum Einwanderungsland vollzog, und er diskutiert vergleichend-ausblickartig die Entwicklungen bis in die 2000er-Jahre. Für seine Analyse sichtet der Autor verschiedene Quellen: erstens eine Fülle interner Papiere aus einzelnen Bundesministerien, die sich mit Migration befassten, zweitens Berichte aus Tages- und Wochenzeitungen, Reportagen aus Magazinen sowie Aufsätze aus Fachzeitschriften, drittens Tagungsberichte von den regelmäßigen Treffen verschiedener mit Auswanderung befasster staatlicher, kirchlicher und sonstiger karitativer Organisationen. In seiner sowohl inhaltlich als auch sprachlich überzeugenden Dissertation kann Sternberg u. a. zeigen, dass versucht wurde, aktiv auf den Bereich Auswanderung einzuwirken: die Abwanderung bestimmter Bevölkerungsgruppen („Volksdeutsche“, Empfänger von Kriegsfolgenhilfe, ältere Menschen, Frauen) wurde gefördert, wohingegen die Abwanderung von Facharbeitern, jungen Männern, Spezialisten und Wissenschaftlern zu verhindern versucht wurde. Insgesamt wird deutlich, „wie stark die politischen Entscheidungsträger und medialen Debattenteilnehmer von Traditionslinien geprägt waren, die intellektuell aus dem Kaiserreich und personell aus der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus in die frühe Bundesrepublik heraufreichten“ (228).
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 4.42 | 2.313 | 2.333 | 2.35 | 2.343 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Jan Philipp Sternberg: Auswanderungsland Bundesrepublik. Paderborn u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35121-auswanderungsland-bundesrepublik_42278, veröffentlicht am 20.09.2012. Buch-Nr.: 42278 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken