Skip to main content
Rainer Eisfeld

Ausgebürgert und doch angebräunt. Deutsche Politikwissenschaft 1920-1945

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013; 322 S.; 2., überarb. Aufl.; 39,- €; ISBN 978-3-8487-0554-2
Die zweite Auflage dieses für das Verständnis der politischen Vorgeschichte der Politikwissenschaft unerlässlichen Werkes enthält neben einem neuen (ausführlicheren) Vorwort, Aktualisierungen des Endnotenapparates sowie einem kurzen Nachwort von Hubertus Buchstein drei neue Kapitel zu den in letzter Zeit intensiv diskutierten Gründungsvätern unserer Disziplin: Theodor Eschenburg und Michael Freund. Es ist zunächst das Verdienst des Autors, in jahrelanger Forschung auf die Fragwürdigkeit des zum Teil vor sich hergetragenen Selbstverständnisses, als zuverlässige Demokratiewissenschaft auch politisch legitimiert zu sein, hingewiesen zu haben. In den einzelnen Kapiteln beleuchtet er das fragwürdige Verhalten einzelner prominenter und berechtigterweise geachteter Gründungsväter der Politikwissenschaft, die in der Spätphase der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus sich angepasst, geschwiegen oder mitgemacht zu haben. Unabhängig von bestimmten Detailfragen bestätigen Aktenfunde und neuere Ausführungen von Zeitgenossen das von Rainer Eisfeld 1991 gezeichnete Bild der Disziplin. Die von ihm angestoßene und gegenwärtig leidenschaftlich geführte Diskussion um Eschenburg zeigt, dass die in den 1980er‑Jahren diskutierte Frage nach Kontinuitäten und Brüchen der politischen Wissenschaft nicht abschließend beantwortet ist. Aufschlussreich von den hier nun neu veröffentlichten Kapiteln ist das zu Eschenburgs Verhältnis zur Weimarer Demokratie: Obwohl Eisfeld klar herausarbeitet, dass Eschenburg etwa als Tübinger Vorsitzender des Hochschulrings Deutscher Art die Angriffe gegen den Pazifisten Emil J. Gumbel zumindest toleriert haben muss und deshalb heute kaum als Vorbild begriffen werden kann, lässt sich seine Position nicht einfach als Republikfeind charakterisieren. Immerhin bewegte er sich in einem Milieu, das ihn bei den rechten Feinden der Republik inakzeptabel machte. Wie lässt sich nun ein solch komplexes Problem lösen? Es wäre dem Buch und der Diskussion zu wünschen, dass sie sich nicht auf persönliches Fehlverhalten oder bloße Bekanntschaften beschränken. Eine Versachlichung der Debatte könnte etwa erreicht werden, wenn die Würdigung des wissenschaftlichen und theoretischen Selbstverständnisses in den Mittelpunkt rückt und der demokratietheoretische Standpunkt der Kombattanten explizit wird.
Frank Schale (FS)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 1.1 | 2.311 | 2.312 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Rainer Eisfeld: Ausgebürgert und doch angebräunt. Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36153-ausgebuergert-und-doch-angebraeunt_44384, veröffentlicht am 05.09.2013. Buch-Nr.: 44384 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken