Krisenzeiten gelten gemeinhin als Zeiten der Exekutive und gerade in der Wirtschafts‑ und Finanzkrise sowie in der europäischen Staatsschuldenkrise ist eine Renaissance des Intergouvernementalismus in der EU beklagt worden. Dahinter ist in der öffentlichen Wahrnehmung zurückgetreten, dass der 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon die Parlamente in der EU gestärkt hat: Das Europaparlament ist „zweifelsohne als Gewinner der Vertragsreformen“ (22) anzusehen; die nationalen Parlamente haben unter anderem durch das Instrument der Subsidiaritätskontrolle eine Stärkung erfahren. Darüber hinaus werden erstmals auch die subnationalen Parlamente im europäischen Primärrecht erwähnt. Diese Verschränkungen eines Mehrebenenparlamentarismus greifen die Autorinnen und Autoren in diesem Band auf. Damit verbunden ist der Anspruch, den Begriff des Mehrebenenparlamentarismus „empirisch angemessen und theoretisch gehaltvoll“ zu füllen und „von einer Metapher zum theoretischen Konzept weiterzuentwickeln“ (29). Zunächst wird der Begriff auf theoretischer Ebene ausgedeutet. Im Nachfolgenden werden von Wissenschaftlern und Praktikern die verschiedensten Aspekte des parlamentarischen Wirkens in der EU betrachtet: von den europäischen Parteien über die legislative Funktion der nationalen Regierungen in der EU bis hin zu einer ersten Analyse, wie die nationalen Parlamente ihre neuen Mitwirkungsmöglichkeiten in der EU nutzen. Auch die Umsetzung der neuen Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages nach der Lissabon‑Entscheidung des Verfassungsgerichts wird betrachtet. In weiteren Beiträgen geht es um die europapolitische Mitwirkung der zweiten Kammern und der subnationalen Parlamente sowie um die Vernetzung zwischen den verschiedenen Parlamenten im Rahmen des Mehrebenenparlamentarismus. Der Band ist aus einer gleichnamigen wissenschaftlichen Konferenz hervorgegangen, die von den beiden Herausgeberinnen im Mai 2011 auf Schloss Hohentübingen veranstaltet wurde.