Auch in Deutschland kein Einzelfall. Ursachen und Folgen von Kinderarmut
23.07.2018Was für andere normal erscheint und zum Aufwachsen dazugehört, bleibt Kindern aus von Armut betroffenen Familien häufig verwehrt. Foto: PublicDomainPictures (pixabay)
Anders als vermutet ist in Deutschland eine Vielzahl von Menschen, die jünger als 18 Jahre sind, auf Hartz IV-Leistungen angewiesen. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung, die im Jahr 2016 erschienen ist, waren 2015 rund 14,7 Prozent aller in Deutschland lebenden Kinder von Armut betroffen. Die Aufklärung darüber, welche Gründe es gibt und welche Folgen eine Kinderarmut für die Gesundheit von Minderjährigen haben kann, hat sich die Interessengemeinschaft Sozialrecht e. V. zur Aufgabe gemacht.
Eine Studie des Global Finance Magazine ergab im Jahr 2016, dass Deutschland Platz 18 im Ranking der reichsten Länder der Welt belegt. Im weltweiten Vergleich gehört Deutschland also zunächst zu einer wirtschaftlich sehr starken Nation. Zudem sank die Arbeitslosenquote im selben Jahr laut der Agentur für Arbeit auf den niedrigsten Stand seit 25 Jahren. Dennoch leben in Deutschland immer noch 2,47 Millionen Kinder, die von Armut betroffen sind.
Ob eine Person von Armut betroffen ist, wird an einer sogenannten „Armutsgrenze“ festgemacht. Hierbei berufen sich viele Statistiken auf den Armutsbegriff der EU-Konvention. Demnach gelten Personen als einkommensarm, die über weniger als 60 Prozent des mittleren gewichteten Nettoeinkommens der Bevölkerung verfügen. Zudem werden bei der Berechnung alle im Haushalt lebenden Personen und deren Einkünfte einberechnet, so zum Beispiel auch Kinder- und Wohngeld. Dadurch können unterschiedlich große Haushalte und ihr Einkommen vergleichbar gemacht werden. Laut der oben beschriebenen Definition liegt die Armutsgrenze für eine Familie mit zwei Kindern im Alter unter 14 Jahren im Jahr 2016 bei 1.926 Euro.
Insgesamt sind in Deutschland 19 Prozent der Minderjährigen, also jedes fünfte Kind, von Kinderarmut betroffen oder leben in von Armut gefährdeten Familien. Hierbei handelt es sich um Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Zudem sind große Unterschiede je nach Region zu erkennen. Während in Oberbayern mit 9,1 Prozent die niedrigste Kinderarmutsquote zu finden ist, leben in Bremen 33,1 Prozent aller Kinder in Armut.
Die Gründe für die Kinderarmut sind sehr vielfältig und werden von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Meist lassen sich die Ursachen in den jeweiligen Familien finden. Besonders betroffen sind demnach Kinder von folgenden Risikogruppen:
- Erwerbslose: Arbeitslosigkeit ist eines der größten Risiken für Armut.
- Alleinerziehende: 2,3 Millionen Kinder leben bei Alleinerziehenden.
- Familien mit drei oder mehr Kindern: Oftmals werden Eltern kinderreicher Familien auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt, da sie als Risiko angesehen werden.
- Menschen mit Migrationshintergrund und Ausländerinnen und Ausländer: Probleme auf dem Arbeitsmarkt führen dazu, dass Menschen dieser Bevölkerungsgruppen häufig Geringverdienende sind oder Hartz IV beziehen.
- Personen mit niedrigem Qualifikationsniveau: Diese werden oft nur im Niedriglohnsektor beschäftigt. Kinder zu ernähren ist unter diesen Umständen meist sehr schwierig.
Die Kinderarmut kann gravierende Folgen für die Minderjährigen nach sich ziehen. Dies betrifft unter anderem die Gesundheit. Kinder aus mittellosen Familien sind häufiger übergewichtig als andere Gleichaltrige. Meist betätigen sich diese nicht sportlich, da sie sich die Kosten für einen Fußballverein oder Ähnliches nicht leisten können. Auch die Ernährung spielt hierbei eine große Rolle. Da gesunde und frische Lebensmittel teurer sind, ernähren sich die Betroffenen in vielen Fällen von ungesunden Fertiggerichten.
Doch auch auf das Sozialverhalten hat die Kinderarmut hohen Einfluss. Viele Kinder schämen sich für die finanziellen Probleme der Eltern und ziehen sich deshalb zurück. Das kann wiederum gravierende Auswirkungen auf die Psyche der Minderjährigen haben. Nicht selten sind die Kinder hoffnungslos und traurig, sodass sie keine Ansprüche an die eigene Zukunft entwickeln können. Das führt dazu, dass Kinder von mittellosen Familien in vielen Fällen selbst nur einen niedrigen Schulabschluss anstreben und später Probleme auf dem Arbeitsmarkt bekommen.
Um das zu verhindern, gibt es in Deutschland viele Organisationen und Verbände, wie der Deutsche Kinderschutzbund oder der Paritätische Gesamtverband, welche Maßnahmen zur Behebung von Kinderarmut entwickeln und diese versuchen in der Politik durchzusetzen. Hierzu zählen:
- der Ausbau von qualitativ hochwertigen Betreuungsmaßnahmen,
- die Anhebung des Mindestlohns,
- die Stärkung des sozialen Umfelds,
- die Anhebung familienpolitischer Leistungen (zum Beispiel Kindergeld, Betreuungsgeld),
- die Stärkung des gesellschaftlichen Bewusstseins für die Rechte von Kindern.
Weitere Informationen zum Thema „Kinderarmut“ und zu vielen weiteren Hartz IV relevanten Themen finden sich unter www.hartz4.net, dem Ratgeberportal der Interessengemeinschaft für Sozialrecht e. V.