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Christoph Lorke

Armut im geteilten Deutschland. Die Wahrnehmung sozialer Randlagen in der Bundesrepublik und der DDR

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015; 469 S.; kart., 39,90 €; ISBN 978-3-593-50268-7
Diss. Münster; Begutachtung: T. Großbölting, H. Bungert. – Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die beiden deutschen Teilstaaten vor der Wiedervereinigung über einen gemeinsam geteilten Armutsbegriff verfügten. Geschichtlich‑kulturelle Unterschiede liegen aber sicher auf einer anderen Ebene als auf der der Wahrnehmungsdifferenzen, die aus der Inkompatibilität politischer Systeme resultieren. Bindet man das Thema an das Dual von Selbstständigkeit und Betreuung, dann wird schnell deutlich, dass es nicht nur um das geschichtlich variable Ausmaß staatlicher Versorgungsleistungen gehen kann. Daher gehört zur Armutspolitik auch die Arbeits‑ und Familienpolitik, die in nicht unerheblichem Maße die individuellen Handlungsmöglichkeiten (Familie und/oder Arbeit) beeinflussen. Christoph Lorke „geht es darum, diskursive Praktiken der zeitgenössischen Wissensproduktion über die zu untersuchenden Gruppen der ‚Armen‘ ebenso in den Fokus zu rücken wie die mediale, wissenschaftliche sowie politische Umgrenzung dieses Phänomens“ (13). Er versteht seine Arbeit als Beitrag zur deutsch‑deutschen Beziehungsgeschichte, „die mit Blick auf soziale Debatten Prozesse der Verflechtung und Abgrenzung, aber auch von Transfer und Konkurrenz nachvollziehbar machen kann“ (21). Gerade im Blick auf Mentalitäten, so der Autor, können gemeinsame Welt‑ und Wertvorstellungen, aber auch Prozesse der Entfremdung jenseits aller politischen Systemunterschiede deutlich gemacht werden. Grundidee ist dabei, die gemeinsame Herkunftsgeschichte der beiden deutschen Teilstaaten und deren unterschiedliche Einbindung in zwei verschiedene „Blöcke“ im Hinblick auf die Konstituierung eines gemeinsamen/unterschiedlichen Armutsdiskurses zu untersuchen. Das Material der Arbeit beruht auf massenmedialen Überlieferungen (Zeitungen), fachwissenschaftlichen Arbeiten und politischen Aussagen. Die Dissertation ist überaus reich an sehr detaillierten Einzelbeobachtungen und bietet mit einer Fülle von Fragen und Gesichtspunkten reichlich Stoff für (sicher auch kontroverse) Diskussionen.
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Rubrizierung: 2.3132.3142.3312.3322.3422.355.2 Empfohlene Zitierweise: Georg Kamphausen, Rezension zu: Christoph Lorke: Armut im geteilten Deutschland. Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39362-armut-im-geteilten-deutschland_46797, veröffentlicht am 11.02.2016. Buch-Nr.: 46797 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken