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Georg Egger / Daniel Fuchs / Thomas Immervoll / Lydia Steinmassl (Hrsg.)

Arbeitskämpfe in China. Berichte von der Werkbank der Welt

Wien: Promedia 2013; 276 S.; brosch., 19,90 €; ISBN 978-3-85371-357-0
Smartphones sind die Prestigeobjekte einer weltweiten Konsumwelt. Die Geräte sind teuer, aber in diesem Tagungsband ist nachzulesen, wer den eigentlichen Preis zu zahlen hat: die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabriken von Foxconn, dem weltweit größten Auftragshersteller von Elektronik. In einigen der Niederlassungen, die die lokalen chinesischen Regierungen oft mit einem Rabatt oder Erlassung von Pacht und Steuern akquiriert haben, arbeiten bis zu 400.000 Menschen – unter ihnen oftmals sechzehn‑ bis achtzehnjährige Schüler_innen, die von ihrer Berufsschule zu einem Praktikum abgestellt wurden und für die weder Arbeitsschutz noch Sozialversicherungen gelten. 2010 sorgte der Selbstmord einiger Beschäftigter für Aufsehen – ein Streik gegen ihre Arbeitsbedingungen war ihnen unmöglich gewesen. Der Beitrag von Pun Ngai und Jenny Chan, in dem die Zustände bei Foxconn geschildert werden, beschreibt am auffälligsten, wie unmittelbar die Bedingungen an „der Werkbank der Welt“ die Konsumenten auch im Westen interessieren sollte. Die Autoren stützten sich dabei auf die Studie ihrer unabhängigen Forschungsgruppe, der es gelang, „1.756 gültige Fragebögen“ (106) einzusammeln und Interviews vor den Fabriktoren zu führen. „Man kann sagen, dass Foxconn eine neue Entwicklung des Monopolkapitals darstellt, das ein gigantisches globales Fabrikregime geschaffen hat, welches das Leben der neuen Generation chinesischer WanderarbeiterInnen dominiert und neue Formen des Elends und des Leidens schafft […].“ (126) Das Bewusstsein dafür, wie sehr diese Entwicklung dem Land selbst und seiner Bevölkerung schadet, scheint aber – so der Eindruck bei der Lektüre der Beiträge – erst langsam zu wachsen. Und eine industrielle Transformation, „hin zu Verfahren, die im höheren Maß auf Kapitalinvestitionen und Wissen angewiesen sind“ (64), bringt nach den Recherchen von Florian Butollo in der Küstenprovinz Guangdong keinesfalls automatisch eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Löhnen mit sich. Allerdings nehmen Proteste und Streiks zu, wie Chih‑Jou Jay Chen schreibt, der mit seiner Forschungsgruppe zwischen den Jahren 2000 und 2012 „fast 4.000 Fälle von kollektiven Protesten“ (84) erfasst hat; offizielle Zahlen existieren nicht. Auf sich aufmerksam gemacht haben damit nicht nur einfache Arbeiter_innen. Das Heer dieser Unterprivilegierten wird mittlerweile ergänzt durch jüngere Hochschulabsolvent_innen, die als „‚Ameisenvolk‘“ in den Elendsvierteln der Großstädte leben; nach einer Studie „ist ihr monatliches Durchschnittseinkommen nicht höher als jenes von Wanderarbeitern ohne akademischen Abschluss“ (Paolo Do, 69) – der soziale Sprengsatz, der sich hinter diesen Beobachtungen und Zahlen verbirgt, ist nur zu erahnen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.68 | 2.262 | 2.22 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Georg Egger / Daniel Fuchs / Thomas Immervoll / Lydia Steinmassl (Hrsg.): Arbeitskämpfe in China. Wien: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36070-arbeitskaempfe-in-china_43854, veröffentlicht am 15.08.2013. Buch-Nr.: 43854 Rezension drucken