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Jürgen Mittag / Berthold Unfried (Hrsg.)

Arbeiter- und soziale Bewegungen in der öffentlichen Erinnerung/The Memory of Labour and Social Movements. Eine globale Perspektive/A Global Perspective. Hrsg. im Auftrag der International Conference of Labour and Social History (ITH)

Leipzig: Akademische Verlagsanstalt 2011 (ITH-Tagungsberichte 45); 262 S.; brosch., 25,- €; ISBN 978-3-931982-73-7
„Welchen Stellenwert besitzt die Arbeiterbewegung im kollektiven Gedächtnis Europas und der Welt?“ (245), so lautete die Leitfrage der Konferenz einer Internationalen Historikertagung im September 2011 in Linz. Die Autorinnen und Autoren liefern eine Bestandsaufnahme gesellschaftlicher Wahrnehmung der Arbeiterbewegungen und anderer sozialer Bewegungen im 20. Jahrhundert. Sie fragen, warum etwa in Europa Katastrophen, Kriege und Genozide im Mittelpunkt der offiziellen Erinnerung und nicht die sozialen Emanzipationsbewegungen, der Beitrag der Arbeiterbewegungen zur Formierung von Sozialstaaten, im Vordergrund stehen. Die Rolle der Arbeiterbewegung als „gestaltende Kraft gesellschaftlicher Entwicklung“ (13) sei mit dem Ende des bipolaren Weltsystems 1989/1990 in den Hintergrund getreten – dies sei nicht zuletzt im Glauben an den ökonomischen Fortschritt erfolgt. Die Ursache für diese geringe Bedeutung der Arbeiterbewegung im kollektiven Erinnerungsprozess sieht Jens Kroh in den „mit massenhaftem Leid verbundenen Ereignissen des 20. Jahrhunderts“ (249). Dennoch gelangen die Konferenzteilnehmer zu keinem negativen Ergebnis: Zwar nehme die Arbeiterbewegung keinen prominenten Platz im kollektiven Gedächtnis ein, aber sie sei nicht vergessen. Durch die Benennung von Straßen werde etwa an Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Friedrich Ebert, Kurt Schumacher und Ernst Thälmann erinnert, in Trier existiert das Karl-Marx-Haus und in Hamburg eine Thälmann-Gedenkstätte. Der Blick auf die „Erinnerung“ an Arbeiterbewegungen und soziale Bewegungen geht über Deutschland und Europa hinaus und wird auch auf erinnerungspolitische Strategien gelenkt, die diese Bewegungen selbst entwickelt haben, wie Tomasz Kozłowski für die Gewerkschaft Solidarność in Polen zeigt. Unter Aufgabe ihres Charakters als Klassen-Vertretung habe sie sich als Teil eines erinnerungspolitischen Narrativs von Demokratie, insbesondere von nationaler Befreiung, entwickelt.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.23 | 2.22 | 2.35 | 2.331 | 2.313 | 2.4 | 2.61 | 2.68 | 2.65 | 2.66 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Jürgen Mittag / Berthold Unfried (Hrsg.): Arbeiter- und soziale Bewegungen in der öffentlichen Erinnerung/The Memory of Labour and Social Movements. Leipzig: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34655-arbeiter--und-soziale-bewegungen-in-der-oeffentlichen-erinnerungthe-memory-of-labour-and-social-movements_41644, veröffentlicht am 15.03.2012. Buch-Nr.: 41644 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken