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Christoph Hungeling (Hrsg.)

Anthropologie – Bildung – Demokratie. Kulturkritische Befunde

Würzburg: Königshausen & Neumann 2010; 186 S.; 39,80 €; ISBN 978-3-8260-4262-1
In dem interdisziplinären Band finden sich Beiträge aus den Sozialwissenschaften, der Philosophie und Kunstwissenschaft, in denen sich die Autoren, häufig in essayistischer Form, zu Fragen der Politischen Anthropologie, Friedrich Nietzsches Menschenbild oder zum gegenwärtigen Bildungsbegriffs äußern. Letzterem widmet sich Armin Bernhard „in eingreifender Absicht“ (142). Ein kritischer Bildungsbegriff komme nicht umhin, so ist er überzeugt, die Grundmomente bürgerlicher Bildungstradition mit einzubeziehen. Gerade hier liege noch ein reiches Arsenal nicht eingelöster emanzipativer Intentionen, Ideen und Prinzipien brach. Die gegenwärtige Einstellung in der Gesellschaft sei hegemonial und bildungsfeindlich. Die politische Bedeutung von Bildung als einer Kritikfähigkeit gegenüber fremdbestimmter Herrschaft und Ideologie sei dem heutigen Verständnis verloren gegangen. Insofern kritisiert Bernhard auch die Tendenz der politischen Linken seit den 60er-Jahren, „eine Überwindung des Begriffs Bildung“ (144) anzustreben. Die bürgerliche Bildung sei historisch von Anfang an mit den ideellen Ansprüchen auf Humanität, Vernunft, Solidarität und Glück verbunden und überstiege lediglich ökonomische Interessen. Es geht dem Autor darum, Bildung konsequent als Emanzipationsaufgabe und Machtfrage zu begreifen: „Die Provokation und der Aufbau eines gegen die grundlegenden gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen gerichteten Bewusstseins ist die zentrale Zielperspektive sozialkritischer Bildungstheorie“ (150). Olaf Jahn befasst sich mit dem „Elend real existierender Demokratie“ (80). Mit Michel Foucault sieht der Autor im modernen Staat ein Herrschaftsinstrument der Elite, eine Oligarchie. Politische Partizipation sei heute kein prioritäres Ziel mehr, kritisiert er, vielmehr eine technische Problemlösungsrationalität, die uns ins Zeitalter der Postdemokratie geführt habe. So plädiert der Autor für eine soziale Demokratie der Partizipation, in der Politiker nicht nur abberufen werden, sondern für ihre Fehler auch haftbar gemacht werden können. Leider redet Jahn mehr über die Zwänge, als dass er sie konkret aufzeigt und analysiert.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Christoph Hungeling (Hrsg.): Anthropologie – Bildung – Demokratie. Würzburg: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32520-anthropologie--bildung--demokratie_38810, veröffentlicht am 02.02.2011. Buch-Nr.: 38810 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken