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Lena Correll

Anrufungen zur Mutterschaft. Eine wissenssoziologische Untersuchung von Kinderlosigkeit

Münster: Westfälisches Dampfboot 2010 (Arbeit – Demokratie – Geschlecht 13); 330 S.; 27,90 €; ISBN 978-3-89691-787-4
Gesellschaftswiss. Diss. Marburg; Gutachter: L. Kißler, H. M. Nickel. – „Die demographische Entwicklung ist zu einem Politikum geworden“ (17). Familienpolitische Maßnahmen wie die Einführung des einkommensunabhängigen Elterngeldes 2007 oder der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen zielen darauf, den Geburtenrückgang aufzuhalten. Kinderlosigkeit, so stellt Correll heraus, wird dabei meist als Kinderlosigkeit von Frauen verstanden, die mithin auch Hauptadressatinnen der familienpolitischen Diskurse seien. Gegenstand der Studie sind also gesellschaftliche Diskurse über Kinderlosigkeit und deren subjektive Deutung als Kinderlosigkeit von Frauen. Methodisch bedient sich die Verfasserin der Diskursanalyse und der Biografieforschung. In ihrer Zusammenfassung der jüngeren Familienpolitik von 1998 bis 2005 stellt sie heraus, dass Familien durch die Politik „zunehmend als ökonomische Ressource funktionalisiert“ (148) würden. Eigenverantwortung sei zu einem der Zentralbegriffe geworden und die Familie nicht mehr als Schonraum konstruiert. Zwar sei der Familienbegriff durch die Einbeziehung Alleinerziehender erweitert worden, doch gelten diese nach wie vor als Abweichung. Dass die Zuverdienerehe weiterhin durch das Ehegattensplitting gestützt wird, setzt die Autorin in „ein Nebeneinander von Maßnahmen der Re- und De-Familiarisierung“ (149). Alle vier Fallanalysen kinderloser Frauen zeigen, „dass alle Befragten […] sich auf die eine oder andere Weise unter Druck gesetzt fühlen, ihren Lebensentwurf ohne leibliche Kinder gegenüber anderen zu legitimieren“ (256). Als zentrale „Anrufungsinstanzen“, so Correll, müssen dabei nicht nur staatliche Instanzen verstanden werden, sondern auch die Familie, der Freundeskreis, der Arbeitsplatz oder das Ehrenamt. „Weiblichkeit“, resümiert die Autorin, „wird gesellschaftlich und individuell vorrangig in Bezug auf Mutterschaft hergestellt“ (299). Diese Subjektkonstruktion sei selbst unter den Bedingungen qualifizierter weiblicher Erwerbstätigkeit weiterhin wirkmächtig.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.36 | 2.343 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Lena Correll: Anrufungen zur Mutterschaft. Münster: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32303-anrufungen-zur-mutterschaft_38548, veröffentlicht am 26.07.2010. Buch-Nr.: 38548 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken