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Günal Incesu

Ankara – Bonn – Brüssel. Die deutsch-türkischen Beziehungen und die Beitrittsbemühungen der Türkei in die Europäische Gemeinschaft, 1959-1987

Bielefeld: transcript Verlag 2014 (Histoire 47); 316 S.; 32,99 €; ISBN 978-3-8376-2500-4
Geschichtswiss. Diss. Bielefeld; Begutachtung: I. Gilcher‑Holtey, J. Requate. – Der mögliche Beitritt der Türkei ist die wohl meistdiskutierte Erweiterungsfrage der Europäischen Union. Dass den deutsch‑türkischen diplomatischen Beziehungen und der medialen Öffentlichkeit in beiden Staaten hierbei eine besondere Rolle zukommt, ist die zentrale Hypothese der Untersuchung Günal Incesus. Ihm geht es darum, die wechselseitigen Einflüsse und Abhängigkeiten zwischen dem Prozess der Institutionalisierung der Beziehungen zwischen der Türkei und der EWG – gemeint sind hier vor allem das Assoziierungsabkommen sowie der Antrag der Türkei auf Vollmitgliedschaft in der EG – und dem deutsch‑türkischen Verhältnis zu untersuchen. Incesu stellt eingangs seiner Untersuchung fest, dass in Ermangelung einer genuin transnationalen europäischen Öffentlichkeit ihre deutsche Entsprechung für türkische politische Verantwortungsträger und Intellektuelle als Zugang zu einer quasi‑transnationalen Öffentlichkeit diente, in der Themen wie der EU‑Beitritt der Türkei diskutiert werden konnten. Für Incesu ergibt sich damit eine „situative Konstitution europäischer Öffentlichkeit als Appellationsinstanz in den türkischen Beitrittsbemühungen zu den Europäischen Gemeinschaften“ (36). Um den Nachweis dieser These zu bringen, widmet der Autor zunächst der Orientierung der modernen Türkei nach Europa und nach Westen ein Kapitel, um dann im Verlauf seines Buches mittels Quellenarbeit – er verwendet vor allem deutsche und türkische Tageszeitungen – vier Aspekte (die Rolle des Militärs in der Türkei, die Frage der türkischen Migration nach Deutschland, die Türkei‑EG‑Beziehungen und die Aufrufe türkischer Intellektueller in deutschen Printmedien) zu untersuchen. Für letzteres Thema gelingt es ihm, die „Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit als situationsabhängiges Wechselspiel zwischen Peripherie und Zentrum“ (234) zu belegen. Hierzu untersucht Incesu die Fälle der Gerichtsprozesse gegen die Schriftsteller Bülent Ecevit, Yasar Kemal und Orhan Pamuk sowie deren mediale Rezeption in Deutschland, verlässt allerdings den von ihm selbst abgesteckten Untersuchungszeitraum der Jahre zwischen 1959 und 1987. Wie die anderen Beispiele zuvor unterstreichen diese Fälle für den Autor die vielleicht zentrale Erkenntnis seiner Arbeit: den „exzeptionelle[n] Stellenwert der Bundesrepublik für die Beziehungen zwischen der Türkei und der EWG/EG“ (274).
Christian Patz (CPA)
M.A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften, Fachbereich Politikwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rubrizierung: 4.24.224.212.632.3133.62.35 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Günal Incesu: Ankara – Bonn – Brüssel. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37354-ankara--bonn--bruessel_45538, veröffentlicht am 31.07.2014. Buch-Nr.: 45538 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken