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Frank Sieren

Angst vor China. Wie die neue Weltmacht unsere Krise nutzt

Berlin: Econ 2011; 447 S.; 19,99 €; ISBN 978-3-430-30041-4
Sieren versucht seinen deutschen Lesern die Angst vor China zu nehmen. Insofern ist insbesondere der Untertitel gleichermaßen reißerisch wie irreführend. In neun ausgedehnten, reportageartigen Kapiteln setzt sich der in China lebende Journalist mit der aktuellen Politik und Wirtschaft des Landes auseinander. Dabei bemüht er sich um ein differenzierendes Bild, das Verständnis für die Denk- und Sichtweisen der chinesischen Führung vermitteln soll. Die faktenreichen Schilderungen einzelner Personen sind spannend und lehrreich, aber auch etwas lang geraten. Die jeweilige These, etwa dass die Wasserknappheit zu Chinas größten Herausforderungen gehört und auch westliche Konsumenten an ihr eine Mitschuld tragen, wird so mehrfach wiederholt. Am stärksten ist Sieren, wo er aus dem Innenleben der Pekinger Elite berichtet – was vor dem Hintergrund des 2012 anstehenden Führungswechsels von besonderer Bedeutung ist. „Die Gefahr, dass wir mit unüberlegten Kommentaren die Falschen treffen und uns damit selbst schaden, ist viel größer als noch vor zehn Jahren.“ (20 f.) Die Zeit der „Falken“ in der Regierung sieht er schwinden, China werde zwangsläufig offener und freier, wenn es den wirtschaftlichen Fortschritt fortsetzen wolle. So angebracht sein Werben um Verständnis für Chinas Positionen und sein Appell, Chinas Aufstieg als Chance zu begreifen, auch sein mögen – an manchen Stellen schießt Sieren übers Ziel hinaus, etwa wenn es um die Besetzung und Sinisierung Tibets geht. Seine Argumentation, der Wandel durch Annäherung funktioniere auch im Falle Chinas, wirkt nicht sonderlich überzeugend. Auch macht er es sich mit seiner analytischen Zweiteilung in Prinzipientreue und Pragmatiker (sowohl in China als auch im Westen) zu einfach. Dies gilt auch für seine Auseinandersetzung mit Chinas Außenpolitik; so unterstellt er westlichen Staaten, ihnen gehe es im Atomstreit mit dem Iran primär um die Bodenschätze des Landes. Zudem kommt das Problem der Wirtschaftsspionage nur wenig und das immer gravierendere Thema Cyberwar überhaupt nicht vor. Dessen ungeachtet vermittelt das Buch einen guten Eindruck zum Aufstieg Chinas, seinen Strategien und Schwierigkeiten.
Dirk Burmester (DB)
Dr., Politikwissenschaftler, wiss. Angestellter der Freien und Hansestadt Hamburg.
Rubrizierung: 4.43 | 2.68 | 4.42 Empfohlene Zitierweise: Dirk Burmester, Rezension zu: Frank Sieren: Angst vor China. Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34383-angst-vor-china_41289, veröffentlicht am 09.02.2012. Buch-Nr.: 41289 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken