In Staaten der ehemaligen Peripherie, die wie die Volksrepublik (VR) China inzwischen zu wichtigen Mitspielen in der internationalen Politik geworden sind, wird immer wieder beanstandet, dass die als universal geltenden Prinzipien der gegenwärtigen Weltordnung vor allem die Interessen und Prägungen der „westlichen Welt“ widerspiegelten. In der VR China werde deshalb seit ca. 30 Jahren über die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Theorie der Internationalen Beziehungen (IB) mit chinesischen Charakteristika debattiert, schreibt Noesselt. Das Dilemma der chinesischen IB-Forschung bestehe darin, einerseits chinesische Partikularität zu berücksichtigen, andererseits aber international an die IB-Debatte anschlussfähig zu bleiben. In ihrer Aufarbeitung der Suche nach einer chinesischen IB-Theorie, analysiert die Autorin anhand Bourdieus Feldtheorie zunächst das Feld, in dem der IB-Theoriediskurs in China lokalisiert ist. Als nächstes werden die ontologischen Grundbausteine – Systemstrukturen, Akteure, Ordnungsprinzipien und die Thematik Krieg und Frieden – des Diskurses in der VR China untersucht. Im letzten Themenblock der Untersuchung beschäftigt sich Noesselt mit der Wirkungsebene und den Hintergründen der chinesischen Theoriesuche. Als Kern der Theoriedebatte identifiziert die Autorin folgende Fragestellung: Ist „ein friedlicher Wandel des Internationalen Systems, der eine Umverteilung der bisherigen Machtverhältnisse voraussetzt“ (315), möglich? Makrotheoretisch knüpfen die chinesischen Überlegungen vor allem an (neo-)realistische Konzeptionen an und komplementieren diese mit Elementen des Konstruktivismus und des Idealismus. Diese Modellbildung erlaube es, die Konkurrenz mit den USA nicht in einem Nullsummenspiel enden zu lassen und so ein friedlicheres Szenario zu konstruieren.