Nachdem das anonyme Autorenkollektiv Tiqqun mit seiner Anleitung zum Bürgerkrieg (siehe Buch‑Nr. 41707) eine erste Programmschrift für die Imaginäre Partei veröffentlicht hat, erscheint nun die umfangreiche Fortsetzung. Dieses Projekt des Widerstands gegen das globale Imperium, den Kapitalismus und die gesamte bürgerliche Gesellschaft überhaupt orientiert sich an der neueren französischen Philosophie, etwa Bataille, Deleuze und Foucault, sowie an anderen, im weitesten Sinne postmarxistischen Autoren wie Marcuse, Agamben, Hardt und Negri. Aufgearbeitet wird im ersten Teil zunächst die Geschichte der oft wenig beachteten aufständischen Bewegungen im Italien der späten 1970er‑Jahre. Die Autoren kontrastieren diese Periode mit ihren bekannteren Vorgängern um 1968 und machen sich auf die Suche nach Alternativen zur einfachen Klassenkampf‑Rhetorik. Die essayistisch gehaltenen und streckenweise kunstvollen Texte streifen durch die als ausweglos, totalitär und gewalttätig wahrgenommene Welt in ihrer Verfassung als „kontinuierliches biopolitisches Geflecht“ (36). Etappenziel ist zuvorderst die Bewaffnung der Partei – wobei diese allerdings dann doch ähnlich imaginär wie jene bleibt. Überhaupt wird dem Leser eine gehörige Toleranz für sprunghaftes, andeutendes und wenig greifbares Raisonnieren abverlangt. Der übliche Vorwurf an solches Theoretisieren, hinter den großen Worten verstecke sich am Ende doch nur jugendhafter Hochmut, trifft aber keinesfalls zu. Dennoch ist der Graben zwischen eher orthodoxen Marxisten und solchen autonom geprägten, poststrukturalistischen Strömungen nach wie vor sehr breit. Tiqqun gibt sich große Mühe, diese Spaltung kritisch und fair zu hinterfragen. Gerade Lesern, die der Empire‑Rhetorik überhaupt nicht zustimmen können, wird hier aber einiges Material zum Nachdenken an die Hand gegeben.