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Christina Hellmich

Al-Qaida. Vom globalen Netzwerk zum Franchise-Terrorismus. Aus dem Englischen von Claudia Kotte

Darmstadt: Primus Verlag 2012; 191 S.; kart., 19,90 €; ISBN 978-3-86312-347-5
Es ist nicht eine kurzgefasste Geschichte einer international agierenden Terrororganisation, die in dieser Studie präsentiert wird: Es ist die kurzgefasste Kritik an den Interpreten dieser Geschichte. Hellmichs methodischer Ansatz basiert auf kritischen Fragen. Die verbreitete Ansicht, Osama bin Ladens Al Kaida sei von Beginn an strukturiert und mit einem klaren Programm ausgestattet gewesen, wird nicht mit einer Gegendarstellung konfrontiert, sondern mit kritischen Perspektiven. Gab es denn eine Organisation? Oder gab es anfangs nicht mehr als einen Namen, eine Idee? Könnte es nicht auch sein, dass die Al Kaida, auf die die USA seit mehr als zehn Jahren Jagd machen, erst durch diese Jagd zu einem Markennamen für jeglichen Terror geworden ist? Und wie steht es um die Ideologie der sogenannten Terrororganisation? Hellmich gelingt ihr kritischer Ansatz mühelos, denn die Literatur und ihre Protagonisten sind kein monolithischer Interpretationsblock. Ähnlich wie die Vorgeschichte zum 11. September 2001 sind die Aussagen über Al Kaida widersprüchlich, beziehen sich vielfach auf nicht nachweisbare Quellen und sind häufig genug mit einem nachrichtendienstlichen Geheimnis umgeben, das ein Nachfragen unmöglich macht. Hellmich ist nicht auf der Suche nach diesen Quellen, sondern stellt Fragen an deren Besitzer und Interpreten. Sie interessiert sich für die Motive der Analysen, die zu dieser oder jener verbreiteten Pseudoerkenntnis in Wissenschaft, Medien und Politik geführt haben. Ihre Antworten sind nicht unbedingt überraschend und neu. Der Wert der Studie ist ein anderer: Sie versucht eine Art Rekalibrierung in einer Zeit, die dazu neigt, komplexe Themen zu simplifizieren. Der Terror wird nicht kleingeredet, allerdings scheint Osama bin Ladens Al Kaida nicht der Gegner (gewesen) zu sein, den westliche Staaten mit ihren straff organisierten Nachrichtendiensten und Streitkräften mit dem War on Terror zu überziehen trachteten: keine eindeutige Struktur, keine eindeutige Führung, keine gemeinsame Ideologie, die man bekämpfen kann. Der Tod Osama bin Ladens hat Al Kaida eben nicht erledigt. Zusammengefasst: „Es ist nicht die Absicht dieser Studie, das Potenzial größerer Organisationen in Abrede zu stellen, die vom Irak und dem Jemen aus operieren und zur Radikalisierung von Muslimen beitragen, die daraufhin Gewaltakte verüben. Eines muss jedoch betont werden: Die Überzeugung, dass erstens solche Organisationen existieren und weiter aktiv auf den Prozess der Radikalisierung und Rekrutierung einwirken und dass zweitens die Ursprünge dieser Radikalisierung leicht in gewissen Winkeln der Welt auszumachen sind, beruht auf Zusammenhängen, die in Wirklichkeit sehr dünn sind und anders gedeutet werden können.“ (140)
Axel Gablik (AG)
Dr., Historiker.
Rubrizierung: 4.41 | 2.68 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Axel Gablik, Rezension zu: Christina Hellmich: Al-Qaida. Darmstadt: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35616-al-qaida_42981, veröffentlicht am 07.02.2013. Buch-Nr.: 42981 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken