Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen. Aus dem Französischen übersetzt und Hrsg. von Philipp Rippel
Zweifellos ist Rousseaus zweiter Diskurs ein Meilenstein in der Geschichte des politischen Denkens im 18. Jahrhundert, und daß er jetzt in einer wohlfeilen Ausgabe vorliegt, ist sicherlich zu begrüßen. Der Inhalt des Diskurses ist wohlbekannt, so daß er hier nicht referiert werden muß. Aber die Frage bleibt, ob eine Neuausgabe gerade dieses Diskurses ein zwingendes Gebot der Zeit ist, da er in anderen deutschen Übertragungen einfach greifbar ist, während es andererseits Schriften Rousseaus gibt, die auf deutsch fast nicht zugänglich sind. Das Nachwort des Herausgebers (174-214) bietet wenig Aufschluß hierzu. Rippel beginnt mit einer generellen Würdigung Rousseaus (174-179), der als "richtungweisender Vorläufer des ökologischen Denkens" (175) sowie als vernunftkritischer Vorgänger von Horkheimer und Adorno (176 f.) interpretiert wird. Das kann man natürlich machen; Rousseau ist schließlich für jede politische Richtung in Anspruch genommen worden. Aber Einigkeit besteht in der Forschung für diese Auffassung keineswegs. Die Ausführungen zu "Leben und Werk" (179-207) bieten einen Überblick über Rousseaus Werdegang, während der letzte Teil des Nachwortes (207-214) sich dem eigentlichen Diskurs widmet. Die Wertungen von Rippel sind nicht unproblematisch; vielleicht gibt er Rousseaus Denken auch mehr Konsistenz, als bei Rousseau selber vorliegt. Fraglich auch einige historische Details; man mag Rousseaus erstem Diskurs "aufsehenerregende Originalität" (192) bescheinigen, aber man sollte dann auch nicht verschweigen, daß die Mehrzahl der Antworten auf die Preisfrage Dijons in der Tendenz ebenso ausfielen wie die Rousseaus, nämlich negativ.