„Ökolatschen neben Springerstiefeln“, so beschreibt Josef Schuster im Vorwort zu „Fehlender Mindestabstand“ die eigentümliche soziale und politische Zusammensetzung der gegen die Corona-Schutzmaßnahmen Demonstrierenden. Gerade weil die radikalen Gegner*innen der Corona-Maßnahmen so heterogen sind, versucht der von Heike Kleffner und Matthias Meisner herausgegebene Sammelband ihre Organisationsformen, Überzeugungen und Feindbilder näher zu beleuchten. Aus Sicht unseres Rezensenten Vincent Wolff ist dabei ein „spannendes Zeitzeugen-Dokument“ herausgekommen, dem es aber an innerem Zusammenhalt mangele.
Dass sich die westliche Welt in einer Dauerkrise befindet, ist eine oft gestellte Diagnose. Dass es nicht gelingt, diesen toten Punkt zu überwinden, sieht Marc Saxer, Mitglied der SPD-Grundwertekommission, auch darin begründet, dass das „progressive Lager“ zu selten auf breit angelegte Allianzen setzt. In „Transformativer Realismus“ plädiert er daher für ein stärker integratives Vorgehen. Martin Repohl hat das Buch rezensiert. Während ihn das grundsätzliche Anliegen des Autors überzeugt, sieht er Unschärfen in Saxers Verwendung des für seine Argumentation zentralen Begriffs der Lebenswelt.
Was gegenwärtig als Krise der Demokratie diskutiert werde, habe „‚tiefe ökonomische und gesellschaftliche Wurzeln‘“, heißt es in der Studie des Politikwissenschaftlers Adam Przeworski. Dazu zähle der Autor einerseits, wie Rezensent Thomas Mirbach ausführt, die steigende ökonomische Ungleichheit, verstärkt durch die abnehmende Bedeutung der Gewerkschaften, und die Deregulierung der Finanzmärkte. Andererseits sehe Przeworski auf der institutionellen Ebene die Erosion der traditionellen Parteiensysteme und das Erstarken von nationalistischen Parteien als dramatische Entwicklungen an. Gefährdet seien Demokratien auch durch eine graduelle Dekonsolidierung ihrer Institutionen und Normen.
Im Begriff der Krise verbinden sich „reale Probleme, deren Perzeption und eine Handlungsebene miteinander“. Krise sei ein essenzielles Mittel der politischen Auseinandersetzung und unterliege damit auch eigenen Konjunkturen – die sich von realen Bedrohungsszenarien unterscheiden können. Das Handbuch stelle laut Rezensent Martin Repohl die erste interdisziplinäre, konzeptionell und methodisch orientierte Publikation zum Begriff der Krise dar. Für zukünftige Forschungen werde empfohlen, Krise „stärker als einen zu beobachtenden Begriff zu verstehen, denn als Analysekategorie“.
Die Auswirkungen der Nord-Stream-Projekte auf die Ukraine im zuvor reziproken Abhängigkeitsverhältnis zum Energieexporteur Russland nimmt Andreas Umland in den Blick. Er ordnet die sukzessiven Teilabschnitte der Reduktion dieser Interdependenz Kyjiws und Moskaus durch das Projekt in einen sicherheitspolitischen Kontext ein. Dabei kritisiert er die Rolle einzelner Akteure in der EU sowie Lücken in Ostwirtschaftsanalysen. Umland gibt zu bedenken, welche Konsequenzen die Inbetriebnahme der Nord Stream 2-Pipeline für die Sicherheitslage des Landes haben könnte.
Das Buch des französischen Soziologen und Arabisten Gilles Kepel könne nach Einschätzung des Rezensenten Michael Rohschürmann durchaus als sein Opus magnum angesehen werden, denn darin fasst der Autor die Erfahrungen seiner inzwischen 40-jährigen Beschäftigung mit den muslimischen Ländern des Mittelmeerraumes zusammen. So sei Kepels Anspruch alles andere als bescheiden, da er die gesamte politisch-religiöse, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des Nahen Ostens, des Irans und Nordafrikas seit 1973 beschreiben will – alles unter dem passenden Titel „Chaos“.