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Paul Kevenhörster / Benjamin Laag: Strategie und Taktik. Ein Leitfaden für das politische Überleben

02.07.2018
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Autorenprofil
Michael Rohschürmann
Baden-Baden, Nomos Verlag 2018

„Wie gelingt der politische Aufstieg? Was bedeutet politische Führung? Wie vermeide ich Fehler? Wie gehe ich mit dem politischen Gegner um?“ Diese Fragen, welche die Autoren prominent auf dem Umschlagstext angeben, charakterisieren das Büchlein (130 Seiten) ebenso wie sein Untertitel: „Ein Leitfaden für das politische Überleben“. Damit richtet es sich natürlich in erster Linie an angehende Politiker*innen und solche, die sich mit entsprechenden Gedanken tragen. Entstanden ist es aus mehreren Seminaren an der Universität Münster, deren Ergebnisse zusammengetragen wurden, um als „Ratschläge für die Planung des politischen Aufstiegs und die erfolgreiche Ausübung politischer Ämter“ (5) zu dienen. Dabei wird sich in erster Linie auf fünf Klassiker der politischen (und teilweise militärischen) Strategie gestützt: Da wären Max Weber („Politik als Beruf“), Baltasar Gracián („Handorakel und Kunst der Weltklugheit“), Niccolò Machiavelli („Der Fürst“), Sun Tsu („Die Kunst des Krieges“) und Carl von Clausewitz („Vom Kriege“).

Das Buch selbst ist in Abschnitte unterteilt, deren Titel schon einen hohen Praxisbezug versprechen: Strategie und Taktik: eine erste Orientierung; Voraussetzungen des politischen Aufstiegs; Grundsätze politischer Führung; Die Kunst der politischen Darstellung; Der Abschied von der Macht; Zusammenfassung: Ratschläge für die politische Karriere (ergänzt um eine Literaturempfehlung zu weiteren Klassikern).

Inhaltlich werden auf Basis der Klassiker bestimmte Maximen politischen Handelns postuliert und diese in den weiteren Kapiteln dann immer wieder anhand praktischer Beispiele aus der jüngeren Politikgeschichte der Bundesrepublik veranschaulicht. So werden beispielsweise die Vorteile einer Seilschaft an Helmut Kohl und Angela Merkel verdeutlicht. Teilweise sind diese Beispiele auch nicht ganz passend und müssen über die Bande gespielt passend gemacht werden – so entspricht dann Gerhard Schröders Vertrauensfrage der Forderung Garciáns nach einem entschlossenen Handeln, führte aber zu Neuwahlen, in denen die SPD unterlag. Flugs zitieren die Autoren daraufhin die Bibel: „Die Pläne des Fleißigen bringen Gewinn, doch der hastige Mensch hat nur Mangel (Spr 21, 5).“ ( 56)

Vor diesem Hintergrund sind die einzelnen Kapitel auch deutlich weniger praktisch als es die Überschriften vermuten lassen würden. Auch wenn durchaus spannende aktuelle Probleme wie Spendenskandale, parteiinterne Machtkämpfe und Joschka Fischers Visa-Affäre angesprochen werden, werden sie eben nicht strategisch analysiert und aufgearbeitet, sondern dienen lediglich als Projektionsfläche, um eine dauernde Geltung der Klassiker darzustellen. Dies ist schade, kann man doch durchaus argumentieren, dass die betreffenden Klassiker einen bleibenden Wert haben. Dazu genügt es indes nicht, sie einfach unkommentiert aktuellen Ereignissen zuzuordnen, sondern zunächst müssten sie in den historischen Entstehungskontext eingeordnet, dann ihre Empfehlungen in eine deutliche und moderne Sprache übersetzt und schließlich mit dem Beispiel verknüpft werden. Lehrreich wäre zudem die Analyse, warum beispielsweise der Rat von Garcián zum entschlossenen Handeln im Fall Schröder nicht funktionierte. Ein schlichter Verweis auf einen anderen Ausspruch verleiht dem Buch den Charakter gesammelter Bauernweisheiten. Für die praktische Anwendung sollten aber in erster Linie Empfehlungen stehen, woran der Jungpolitiker oder die Jungpolitikerin erkennen kann, in welcher Situation welchen Weisheiten zu folgen ist. Dazu wäre aber, wie gesagt, eine tiefgehende Analyse der aktuellen Beispiele notwendig.

So bleibt es ein interessanter Lesestoff über Klassiker der politischen Strategie, die man dann aber lieber im Original statt in den wenigen Zitaten lesen sollte. Oder man greift gleich zu Managementratgebern, denn bei einigen ist die Übersetzung der Lehren von Sun Tsu in moderne Arbeitskontexte deutlich pragmatischer gelungen.

Der Ansatz von Kevenhörster und Laag ist zu begrüßen. Es wäre in der Tat wünschenswert, wenn sich die Politikwissenschaft wieder praktischer ausrichten und sich nicht in Metatheorien verlieren würde. Leider wird dieses Büchlein den Nachwuchshoffnungen der verschiedenen Parteien keinen praktischen Rat bieten können und diese werden zunächst weiter auf die parteiinterne Ochsentour durch verschiedene Ämter angewiesen sein, um praktisch zu erlernen, was hier theoretisch nicht vermittelt wurde.

 

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