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Renate Dieterich

Transformation oder Stagnation? Die jordanische Demokratisierungspolitik seit 1989

Hamburg: Deutsches Orient-Institut 1999 (Schriften des Deutschen Orient-Instituts); 429 S.; 49,- DM; ISBN 3-89173-053-5
Islamwiss. Diss. Bonn; Gutachter: S. Wild. - Jordanien ist vor allem auf Grund seiner regionalpolitischen Bedeutung für den Nahostfriedensprozeß in den vergangenen Jahren Gegenstand politikwissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Nun liegt mit dieser Arbeit eine Analyse der jordanischen Innen-, genauer Demokratisierungspolitik von 1989 bis 1997 vor. Bislang galt das Königreich unter dem Blickwinkel demokratischer Verhältnisse als ein relatives Musterland in einer Region, in der autoritäre Systeme und pseudo-demokratische Monarchien dominieren. Mit diesem Bild räumt die Autorin gründlich auf. Basierend auf den eingeführten Demokratisierungstheorien, der Transitionsforschung und Überlegungen zur Entwicklung der Zivilgesellschaft fragt sie, inwieweit sich tatsächlich von einem Demokratisierungsprozeß in Jordanien nach 1989 sprechen läßt. Als Untersuchungsgegenstand dienen ihr nicht nur institutionelle Rahmenbedingungen und die Analyse der Wahlen im Untersuchungszeitraum, sondern darüber hinaus Faktoren des zivilgesellschaftlichen Lebens wie die jordanischen Berufsverbände und die islamistischen Gruppen sowie der Einfluß regionaler Faktoren wie des israelisch-jordanischen Friedensvertrages. Ihr Ergebnis ist genauso ernüchternd wie überraschend: Aus einer Vielzahl von Gründen ist der Begriff der Demokratisierung zur Beschreibung der Entwicklung in Jordanien seit 1989 nicht zutreffend, auch von einer Liberalisierung könne angesichts von innenpolitischen Repressionen kaum gesprochen werden. So werden die Institutionen des modernen Zentralstaates für den etablierten Tribalismus und Patronagenetze weiterhin in Anspruch genommen. Zivilgesellschaftliche Organisationsformen sind nur schwach ausgebildet. Die Wahlen der vergangenen Jahre können nur bedingt als fair bezeichnet werden, die Pressegesetzgebung ist rigide geblieben und auch die verfassungsmäßige Machtstellung des Monarchen ist nicht angetastet worden. Somit sei eher die Bezeichnung einer gescheiterten Transition zutreffend. Neben vielen neuen Einsichten, die das Buch vor allem den Regionalexperten für den Nahen Osten vermittelt, ist es nicht zuletzt dafür zu loben, daß es den häufig beschworenen Ansatz der Interdisziplinarität wirklich einlöst. Als eine islamwissenschaftliche Dissertation entstanden, bietet die Untersuchung auch der Politikwissenschaft eine Fülle von neuen und anregenden Ergebnissen. Inhaltsübersicht: 2. Einige methodische Überlegungen zu Demokratie und Demokratisierung - ein Überblick; 3. Demokratie und Demokratisierung in der arabischen Welt; 4. Theoretische Überlegungen zum "Gesamtsystem Jordanien": Politische, ökonomische und soziale Determinanten; 5. Die innenpolitische Entwicklung seit den 80er Jahren; 6. Der Demokratiebegriff im offiziellen jordanischen Diskurs und seine praktische Anwendung: ausgewählte Beispiele; 7. Wahlen als Ausdruck institutionellen Wandels; 8. Die jordanischen Berufsverbände als Teil der Zivilgesellschaft und Träger außerparlamentarischer Opposition; 9. Die islamistische Opposition der Muslimbrüder und der hizb gabhat al-'amal al-islami (IAF). Entwicklung und Programmatik: Entwicklung und Problematik; 10. Frieden, Opposition und Repression: Die Bedeutung des Friedensvertrages mit Israel für die jordanische Demokratisierungspolitik; 11. Synthese.
Markus Kaim (MK)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Forschungsgruppe "Sicherheitspolitik", Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, Berlin.
Rubrizierung: 2.63 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Markus Kaim, Rezension zu: Renate Dieterich: Transformation oder Stagnation? Hamburg: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9845-transformation-oder-stagnation_11607, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 11607 Rezension drucken