Anerkennungskämpfe. Die Nachgeschichte der nationalsozialistischen Zwangssterilisationen in der Bundesrepublik
Diss. Jena; Begutachtung: N. Frei. – Die Betroffenen der nationalsozialistischen Sterilisierungspolitik sind bis heute NS-Opfer zweiter Klasse. So könnte man das Ergebnis dieser zeitgeschichtlichen Studie in einem Satz zusammenfassen. Die Geschädigten hatten über Jahrzehnte erfolglos für ihre soziale und juristische Rehabilitierung gestritten und um finanzielle Entschädigung gekämpft. Aufgrund dominanter medizinischer und juristischer Lehrmeinungen wurde den Betroffenen abgesprochen, Opfer einer spezifischen nationalsozialistischen Verfolgung gewesen zu sein. Rechtsprechung und Gesetzgebungspraxis pflegten jahrzehntelang eine „Vorstellung von der Legalität und Legitimität der Sterilisationsverfahren, die auf der Tradition eugenischen Denkens in Deutschland basierte“ (319). Lediglich in Einzelfällen konnten Betroffene ihre individuelle Anerkennung als NS-Opfer juristisch durchsetzten. Im Bundesentschädigungsgesetz (BEG)-Schlussgesetz 1969 kamen die Zwangssterilisierten als Opfergruppe nicht vor. Politisch hatten die Sterilisationsopfer kaum eine Lobby und gesamtgesellschaftlich schien die Etablierung weiterer NS-Opfergruppen kaum durchsetzbar. Erst seit den 1970er-Jahren änderte sich sukzessive die gesellschaftliche Wahrnehmung und Akzeptanz dieser Gruppe. Über Härtefallregelungen wurden einzelne Betroffene seitdem finanziell unterstützt, eine generelle finanzielle Entschädigung nach dem BEG gibt es bis heute nicht. Diese wichtige Arbeit ergänzt die Studie von Stefanie Westermann von 2010 (siehe Buch-Nr. 38243), sodass über die Tatsache einer nach 1945 erfolgten weiteren systematischen Stigmatisierung und Diskriminierung dieser NS-Verfolgtengruppe kein Zweifel mehr bestehen dürfte. Dass die Politik nun die letzten noch lebenden Betroffenen schnell restlos rehabilitieren und über ein novelliertes BEG finanziell entschädigen wird, darf indes bezweifelt werden.